Ein überfälliges Comeback

■ Holzhäuser erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Fachleute wundern sich, daß die vielen ökologischen und ökonomischen Vorteile des Materials erst jetzt wieder entdeckt werden

Die Norweger haben angeblich deshalb die meisten ihrer Häuser aus Holz gebaut, weil sie die Steine für die Berge benötigen. Ganz stimmig ist diese Behauptung freilich nicht, denn auch in Deutschland gibt es zwar den einen oder anderen Berg, doch Holzhäuser sind trotzdem Mangelware. Noch vor fünf Jahren lag ihr Marktanteil bei Eigenheim-Neubauten nahe Null. Inzwischen hat er sich immerhin auf rund drei Prozent emporgeschraubt. Einen „Hoffnungsträger“ nennt denn auch Bundesbauminister Klaus Töpfer die Branche.

Überzogener Optimismus bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Lage gilt zwar als Markenzeichen der Kohl-Administration, doch in der Tat stehen die Zeichen für den Baustoff Holz recht günstig. Und dies nicht nur für das kleine Segment der „richtigen“ Holzbauten, sondern vor allem für eine Konstruktionsart, die lange Zeit ein wenig aus der Mode schien: Länder- und Bundesbehörden drängen mit Förderrichtlinien und ähnlichen Steuerungsinstrumenten zur Begrenzung der Baukosten, den privaten Bauherren sitzt das Geld ebenfalls nicht mehr so locker, und davon profitieren wiederum hauptsächlich mit Holz arbeitende Hersteller von Fertighäusern.

Natürlich betont die Branche bei jeder Gelegenheit, daß ihr Produkt mit den mit den Einheitsschachteln der sechziger- und siebziger Jahre nicht mehr viel gemein hat. Die in der sogenannten Tafelbauweise hergestellten Elemente lassen sich den Kundenwünschen in der Tat sehr flexibel anpassen und können im montierten Zustand – je nachdem, wie sie verkleidet werden – entweder von einem konventionellen Massivbau kaum zu unterscheiden sein oder aber wie das sprichwörtliche Pipi-Langstrumpf-Haus aussehen.

Kein Wunder also, daß Schweden zu den größten Exporteuren der durchrationalisierten Bretterbuden zählt. Auch die übrigen skandinavischen Länder sowie Holland, Frankreich und Österreich sind erfolgreich, und das nicht selten hierzulande: Während der Export von Holz-Fertighäusern zwischen 1995 und 1996 um zwei Prozent auf magere 30 Millionen Mark fiel, stieg der Import um sechs Hundertstel auf 584 Millionen Mark.

Immerhin schaffen es auch einheimische Produzenten, ihre Ware an den Mann zu bringen, und zwar keineswegs zu Liebhaberpreisen. Deutliches Zeichen hierfür ist die relativ große Verbreitung (geschätzter Markttanteil: 5 bis 7 Prozent) im gewerblichen Bereich. Die Kunden, so Thomas Wegner vom Fertighaus-Hersteller Okal, schätzen vor allem, „daß die Holzbauweise sehr schnell geht“. Ein Bürogebäude mit rund 500 Quadratmeter Fläche läßt sich in drei bis vier Monaten aufstellen, und das bringt unter anderem erhebliche Vorteile bei der Finanzierung.

Der Zeitfaktor ist zwar auch bei Fertigteilen zum Beispiel aus Beton sehr günstig, doch selbst, wenn ästhetische Gesichtspukte überhaupt keine Rolle spielen, macht der Baustoff Holz spätestens bei den Betriebskosten das Rennen: Seine Pflegebedürftigkeit ist – sorgfältige Verarbeitung vorausgesetzt – weit geringer als gemeinhin angenommen, aber dafür läßt er sich in Sachen Wärmedämmung und damit Heizkostenersparnis nur schwer überbieten.

Über solche Vorzüge machen sich natürlich auch private Bauherren ihre Gedanken, zumal sich hier Wirtschaftlichkeitsberechnung und Ökobilanz auf das schönste ergänzen. Letztere sieht bei Holz ohnehin konkurrenzlos gut aus: ein nachwachsender Rohstoff, leicht transportabel und mit geringem Energieaufwand zu bearbeiten. Und außerdem „CO2-optimal“, so Bernd Brüggemann, Mitarbeiter beim „Bund Architektur und Baubiologie“: Bei der Herstellung aller gängigen Baustoffe vom Dachziegel bis zum Stahlträger werden große Mengen des Treibhausgases freigesetzt, während pro Kubikmeter Holz sogar noch knapp eine Tonne davon gebunden wird.

Doch nicht nur das ruhige ökologische Gewissen läßt Holzhaus- Bewohner gut schlafen: Das gute Raumklima und ganz allgemein die „Wohnlichkeit“ werden hochgelobt und von Architekten zunehmend gern in immer anspruchsvollere Entwürfe umgesetzt, die keinerlei Ähnlichkeit mehr mit dem schlichten Blockhaus klassischer Prägung besitzen (das natürlich auch seine überzeugten Anhänger hat).

Der Phantasie der Baumeister sind dabei kaum Grenzen gesetzt, was wiederum zu den weniger bekannten Pluspunkten des Materials zählt: Mit Holz lassen sich problemlos große Spannweiten überbrücken, es ist enorm verwindungssteif und dabei trotzdem elastisch. Entgegen landläufiger Meinung bereitet auch die Einhaltung von Brandschutzvorschriften kein allzu großes Problem. Holzbalken brennen – wie jeder Lagerfeuerromantiker weiß – von außen nach innen, und wenn sie entsprechend dimensioniert sind, erreichen sie ohne weiteres die „Feuerwiderstandsdauer“ von „F30“ (bezeichnet die Minuten, bis die Stabilität nachläßt). Auch höhere Werte sind möglich, weshalb es durchaus Stimmen gibt, die den Einsatz des Öko-Baustoffes auch verstärkt im Mietwohnungsbau fordern.

Obendrein aber ist der Baustoff aus dem Wald – wenn er sauber und mit Sachverstand verarbeitet wird – enorm haltbar, und zwar auch ohne giftige Konservierungsstoffe und Schutzanstriche. „Konstruktiven Holzschutz“ nennen es die Fachleute, wenn zum Beispiel weit überstehende Dächer die Hauswand vor Regenwasser schützen oder gute Belüftung Kondenswasserbildung verhindert. Mehr ist wirklich nicht nötig, wie nicht nur Holzhaus-Fans, sondern mittlerweile auch die zuständigen Behörden erkannt haben, weshalb die einschlägigen Normen bei fast allen Anwendungsbereichen inzwischen keine Imprägnierung mehr vorschreiben.

Daß angesichts ihrer vielen Vorzüge der Marktanteil von Holzhäusern nicht noch weitaus schneller steigt, beziehungsweise daß er überhaupt so niedrig ist, schreibt die Fachwelt eher irrationalen Vorbehalten zu. „Der Deutsche“, spekuliert Bau-Biologe Brüggemann, „baut wohl doch mehr für die Ewigkeit.“ Was natürlich, wie er sofort ergänzt, überhaupt kein Grund ist, auf Holz zu verzichten: „Schauen Sie sich die Stabkirchen in Norwegen an, die stehen schon seit vielen hundert Jahren.“ Jochen Siemer