: Nullnull mit zwei Vortoren
Nach dem 1:1 bei Meister Borussia scheinen die Münchner Bayern auf dem Weg zur Meisterschaft, der BVB rettet sein erhobenes Haupt ■ Aus Dortmund Bernd Müllender
Andreas Möller war hinterher schwer begeistert von sich und den Seinen. „Wir haben die Bayern total beherrscht“, gab er kund und überhaupt „eine Superpartie hingelegt“. Kollege Karlheinz Riedle befand, die Borussia habe gar „sensationell gespielt“. Da wollte Bayern-Coach Trap Trapattoni nicht nachstehen: „Bayern war gut, Dortmund hat mehr gut gespielt.“
Und erfolgreich waren sie auch, die Meisterkicker: Bravourös haben sie Bayerns Siegesserie gestoppt. Es war das erste Remis nach zuletzt fünf Siegen in Folge. Ach Fußball, ach Analyse.
Das war wieder so ein Spiel, bei dem ein Zufallstreffer kurz vor Schluß alle Wertungen hätte kippen lassen und das dann völlig andere Schlagzeilen bekommen hätte. Und völlig andere Erklärungen, wer was „verdient“ gehabt hätte. Ach Logik! Na ja: Fußball eben.
Eigentlich war dieses 1:1 ein typisches Nullnull. Mit einem vorgeschalteten Showdown in vier Kurzakten: Nach fünf Sekunden Foul Zickler an Kree; danach Debatten, Handgreiflichkeiten, vor allem zwischen den Männerfreunden Möller und Basler. Der Freistoß läutet Kurzakt 2 ein: Acht weitere Sekunden ist der Ball im Spiel, wieder Foul Zickler, diesmal an Heinrich. Wieder Hektik, Debatten, Empörungen, Beschwichtigungen. Der Freistoß von Möller ist zirka zwei Sekunden in der Luft, und – Kurzakt 3 – Riedle köpft den Ball am tumb heraushechtenden Kahn vorbei ein. Nach 15 Sekunden Nettospielzeit führt die Borussia mit 1:0.
Fehlt halt Kurzakt 4. Für den brauchten die Bayern ebenfalls 15 Sekunden. Anstoß, Paß, Zweikampf, Flankenlauf des foulaktiven Zickler, Flanke, Kopfball Rizzitelli. Der Ausgleich. „Wir haben“, gab Kaiser Franz zum besten, „den Dortmunder Freudentaumel ausgenutzt.“ Und daß „Jürgen Kohler Fußballgott“, wie sie ihren Stopper vieltausendkehlig besingen, grad woanders irdisch hochhüpfte.
Zwei Treffer nach einer halben Minute effektiver Spielzeit. Nicht schlecht. „So kann es weitergehen“, raunte einer auf der Pressetribüne in einem Anflug von branchenuntypischer Begeisterung in das Gefühlstohuwabohu auf den Tribünen. „Schön wär's“, antwortete ein anderer ernüchternd kühl, „aber ich glaube, das ist der Endstand.“ Er war es. Selbst „Elder Trainingsman“ Trapattoni konnte sich nicht erinnern, einen solchen Spielverlauf schon einmal erlebt zu haben.
Die restlichen 88 Minuten war Dortmund klar feldüberlegen und hatte eigentlich alles richtig gemacht. Aber noch besser machten es eben die Bayern: Neben ihrem sprichwörtlichen Dusel hatten sie fast fehlerfreies Defensivpersonal um den besonders unüberwindlichen Lothar Matthäus gruppiert. Klinsmann fand auch als Neuvater mal wieder kaum statt. Aber das macht wenig, solange die Abwehr steht. Selbst Basler spielte ungewohnt landwirtschaftlich: sensen, ackern, Platz umpflügen.
Nachher waren sie gar nicht so richtig angesäuert, die Dortmunder. Keine Trauer, kein Lamentieren, keine Resignation. Dabei hatte der BVB durch dieses Match gerade die nach mathematisch- menschlichem Ermessen, siehe Tabelle, letzte Chance zur Titelverteidigung vergeigt. Michael Meier, der Manager, sprach von höheren Bedeutungen dieses Gipfelbegegnung: „Es war ein Spiel, bei dem es um den Status ging.“ Das ist es: Gleichwertig und gleichartig mit den Bayern bleiben. Bloß nicht verlieren. Es ging um Wichtigeres als Sport: um Corporate Identity und Image. Um den Ruhrpott-Club als bessere, als volksnähere Variante der Bayern, um Identifikation, um Kontinuität. Extra deutete Meier auf die stadiondurchdröhnenden Sprechchöre „Ruhrpott“ hin, die ihm sehr gefallen hätten.
Die Bayern kurven, wie es aussieht, Richtung Meisterschaft. Aber Zweiter werden ist ja neuerdings genug für die dicken Einnahmen aus der Champion's League. Der BVB kann, so Balldiplomat Hitzfeld, „erhobenen Hauptes den Rest der Saison angehen“. Als Spruch des Tages reichte das aber nicht. Den gab der Herr Matthäus. Auf die Frage nach den offenkundigen Animositäten zwischen Möller und Basler meinte er echt eigenhumorig: „Das ist alles geregelt unter Männern. Die haben eine eigene Dusche hier. Da streicheln sie sich jetzt.“
Bayern München: Kahn - Matthäus - Babbel, Helmer - Zickler, Hamann, Basler (85. Witeczek), Nerlinger, Ziege - Rizzitelli (87. Scholl), Klinsmann (75. Jancker)
Zuschauer: 55.000; Tore: 1:0 Riedle (2.), 1:1 Rizzitelli (3.)
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