Tipptopp ohne Scheißbauchschmerzen

■ Allen Skandalen zum Trotz: großer Pop und Kasperletheater von „Tic Tac Toe“im CCH

Manche Künstler aus dem Bereich der Popularunterhaltung vermögen es, ein Publikum zu versammeln, das jegliche Metropolenschutzmechanismen unterwandert. Bei Tic Tac Toe ist dies der Fall. Da wird das CCH plötzlich zum Dorfgemeinschaftshaus und das Publikum zur Freiwilligen Feuerwehr samt Zugehörigen. Was nicht unangenehm ist – kaum gehässige Hä-Hä-Journalisten, wenig wirkliche Girlies, gar kein Hipvolk, eher Hippvolk. Und natürlich auch kein HipHop, sowieso nicht, dafür alles tipptopp im Sweatshirt, mit amerikanischen Schlagwörtern bestickt.

Gleichwohl war dies Konzert natürlich nicht ein beliebiges Schützenfestmethadon. Mehr noch als sonst wußte hier jeder, was ihn und was man von ihm erwartet. Irgendwann so beim achten Lied würde Lee sich für die Unterstützung bedanken und davor und danach und besonders dabei würde man „LEEHIEEE“zu rufen und Schilder zu schwenken haben, die die Apotheose der „rotzfrechen Ruhrgebietsgirlierapperinnen“forciert: „Lee, wir glauben an dich.“Schon lange geht es nicht mehr um einzelne Skandalstränge, denen man Glauben oder Aufmerksamkeit schenkt oder nicht, man glaubt an Lee oder auch vereinzelt an Jazzy und Ricky.

Möchte eigentlich mal jemand über die Musik von Tic Tac Toe Bescheid wissen? Nein? Dann nur dies: Großen Pop schufen die drei oder die vier dahinter oder der Mann mit den Fäden in der Hand – wer auch immer. Und lustig: Von weitem sieht Lee ein bißchen aus wie der Nichtsänger von Milli Vanilli selig, und damit ist doch eigentlich alles klar.

Den Klischeevorsteher der Bild am Sonntag hörte man raunzen, daß diese Band ja nun sehr schlecht sei, „so auf Betriebsjubiläumsniveau“, die Wahrheit aber ist, daß diese Musiker ihre Instrumente äußerst gekonnt bedienten, was natürlich Qualität der einseitigen Art nur ist, aber immerhin.

Der Rest ist Auf-Hits-Warten und Kasperletheater – die Überleitungen werden als brave Sketche vorgetragen, seid ihr alle da, ihr seid aber gut drauf, Hamburg ist aber obergeil. Und so. Hübsch war Lees Ausführung über die Menstruation als solche, halt die „7 Tage im Monat, wo man so Scheiß-Bauchschmerzen hat, kennt ihr das auch?“Nun ja, das kennt man im Prinzip schon, aber das durchschnittlich 7jährige Publikum natürlich allenfalls vom Sagenhören, und wieso überhaupt 7 Tage? 7 Tage, 7 Köpfe? Eight days a week? Da ist doch was faul. Fleißig soulrockt indessen die Hintergrundband. Nur für den Kick, für den Augenblick? Oder für den Dealer mit dem Lächeln im Gesicht? Weiß man nicht.

Benjamin von Stuckrad-Barre