Schweigen ist nicht immer Gold

Die britische Regierung sah beim Finanzgebaren der Schweizer Banken großzügig weg – auch London brauchte dringend Franken  ■ Aus Cambridge Neville Wylie

In der Geschichte der Goldtransaktionen Nazideutschlands spielt Großbritannien eine einzigartige Rolle. Sowohl während des Zweiten Weltkriegs als auch danach waren die Briten nicht gewillt, die Kreise der Deutschen zu stören. Dabei war die Bedeutung des Goldes für die internationalen Finanzgeschäfte Deutschlands spätestens ab März 1939 klar, als Berlin nach der Annektierung des tschechischen Teils der Tschechoslowakei dessen Goldreserven in London beschlagnahmte.

Dabei behilflich war die in Basel ansässige Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). Weder die britische Regierung noch die britische Staatsbank machten Anstalten, die Beschlagnahmung der 23,1 Tonnen Gold zu verhindern. London folgte den Instruktionen der BIZ und gab das Gold frei. Um eine solche Schmach nicht noch einmal zuzulassen, konzentrierte sich London fortan darauf, seine eigenen finanziellen Interessen gegen deutsche Intrigen zu schützen.

Obwohl dies weitgehend gelang, begab sich London damit in eine Verteidigungsposition, die ein späteres offensiveres Vorgehen gegen die deutschen Goldgeschäfte verhinderte. Großbritannien tat fast nichts gegen die Plünderung der privaten und öffentlichen Goldreserven Europas. Zwar sprachen die betroffenen Exilregierungen wiederholt in London vor. Aber es war nahezu unmöglich, die Herkunft gestohlenen Goldes lückenlos nachzuweisen.

Diplomatischer Druck auf die neutralen Staaten

Dies und die schwierige Suche nach einem Ausgleich mit Deutschland für die Zeit nach dem Krieg bestärkten die Briten in ihrer Haltung, daß diese Frage gar nicht erst auf den Tisch kommen dürfe. So brauchte es anderthalb Jahre Verhandlungen, bis sich die Alliierten einigten und am 5. Januar 1943 eine erste Warnung über die Herkunft der Goldschätze aussprachen. Alle weiteren Maßnahmen, wie die „Gold-Declaration“ von Februar 1944 und der Bretton- Woods-Vertrag von Juli 1944, erfolgten nur auf Druck der USA. Seit dem Frühjahr 1943 war London bekannt, daß die deutschen Vorkriegsbestände an Gold aufgebraucht waren und daß von daher alles von Deutschland verkaufte Gold entweder aus fremden Zentralbanken oder von Privatpersonen und Institutionen in besetzten Ländern kommen mußte.

Obwohl Berlin nach dem Völkerrecht dazu berechtigt war, staatliche Goldbestände in besetzten Territorien zu requirieren, war es für die Alliierten von großer Bedeutung, zu verhindern, daß mit diesem Gold kriegswichtige Rohstoffe gekauft wurden. Trotzdem schreckte London davor zurück, das Problem frontal anzugehen. Zwar wurde auf die neutralen Staaten diplomatischer Druck ausgeübt, kein Gold aus Deutschland zu akzeptieren. Aber nicht alle sahen dies ein. So die Schweiz, deren Währung frei konvertierbar war. Die Nationalbank in Bern zeigte sich bereit, Gold aus Deutschland zu kaufen. So nahm das gestohlene Gold seinen Weg durch die Schweiz und von dort in andere neutrale Länder.

Die Briten sahen aus mehreren Gründen großzügig weg, denn auch London brauchte Schweizer Franken, um Kosten zu begleichen, die im Zusammenhang mit britischen Kriegsgefangenen in Feindeshand auftraten. Ab Ende 1943 zahlte London dafür in Gold. Da war es sicherlich schwierig, die „neutrale“ Schweiz darum zu bitten, kein Nazigold anzunehmen und ihr zugleich britisches Gold anzubieten. Gleichzeitig wuchs unter britischen Beamten die Sorge um eine US-Konkurrenz auf den Finanzmärkten nach Kriegsende. In den britischen Szenarien tauchte die Schweiz als nützlicher Verbündeter Großbritanniens auf. Somit mußte die Sache mit dem Nazigold in Vergessenheit geraten, um die Lage für die britischen Finanzinteressen nicht noch zusätzlich zu verkomplizieren.

Der Autor ist Dozent für Geschichte am New Hall College der Universität Cambridge.