Japan privatisiert Atombehörde

Konsequenz aus einer Serie von Atomunfällen und Vertuschungen. Plutoniumwirtschaft wird von der Regierung nicht grundsätzlich in Frage gestellt – aber Kosten sind künftig wichtig  ■ Aus Tokio Georg Blume

Die Entwicklung der japanischen Atomreaktoren vom Typ schneller Brüter und die Behandlung von hochradioaktivem Müll wandern direkt unter staatliche Kontrolle. Der Rest des bislang halbstaatlichen Atomprogramms – von der Uraniumanreicherung über die Plutoniumbrennstoff- Herstellung bis zur Wiederaufarbeitung von Atommüll – wird privatisiert. Das ist in aller Kürze die Konsequenz, die die japanische Regierung laut Zeitungsberichten aus der Unfall- und Skandalfolge in der halbstaatlichen Atomorganisation Donen ziehen will. Langsam – aber nicht sicher – werden damit die Konsequenzen aus dem schwersten Unfall in der japanischen Atomindustrie gezogen, der sich Mitte März in der von Donen betriebenen Wiederaufarbeitungsanlage von Tokaimura ereignete. Auf den Unfall, bei dem ungemessene Mengen von Radioaktivität in die Umgebung freigesetzt wurden, folgte eine Reihe von Vertuschungsversuchen, die vor einer Woche zu einer staatlichen Gerichtsklage des zuständigen Ministeriums gegen Donen-Mitarbeiter führten. Fast zur gleichen Zeit ereignete sich im Donen-Hochtemperaturreaktor in Furuga ein weiterer Unfall, bei dem erneut Radioaktivität frei wurde, ohne daß die Betreiber pünktlich Bericht erstatteten. „Ich bin so wütend auf Donen, daß ich den Namen nicht mehr hören kann“, fauchte anschließend Premierminister Ryutaro Hashimoto.

Den großen Tönen und hehren Reorganisationsversprechen müssen jedoch keinesfalls einschneidende Maßnahmen gegen die Atomindustrie folgen. Zwar ist der Ärger auf die lügenbehaftete Branche in Japan zum Allgemeinplatz geworden. Doch über Sinn und Unsinn auch nur des unfallgeplagten Plutoniumprogramms wird zumindest in Regierungskreisen noch wenig gestritten. „Eine einfache Strukturreform wird unser Problem nicht lösen. Wir brauchen eine nationale Diskussion über die Zukunft der Atomenergiepolitik“, warnte der Nuklearchemiker Jinzaburo Takagi vom Citizen's Nuclear Information Center, dem Think-tank der japanischen Anti-AKW-Bewegung.

Dennoch wird in Japan nicht alles beim alten bleiben: Allein die Privatisierung eines bisher staatlich unterhaltenen Teils der Atomwirtschaft könnte dessen Abschaffung zur Folge haben, falls die Kosten – etwa bei der Wiederaufarbeitung – zu hoch liegen. Insbesondere die privaten Elektrizitätsversorger fürchten, daß sie schnelle Brüter und Wiederaufarbeitung teuer zu stehen kommen – vor allem, weil sie seit kurzem gegen neue Wettbewerber etwa aus der Stahlindustrie konkurrieren müssen.