Gericht an der Grenze

■ Beschleunigte Strafprozesse direkt an der bayerisch-tschechischen Grenze

Freiburg (taz) – In Bayern wird ein neuer Richtertyp eingeführt: der Grenzrichter. Er soll kleinere Delikte im beschleunigten Verfahren sofort an Ort und Stelle aburteilen. Gedacht ist vor allem an Ladendiebstähle von Flüchtlingen oder an Schleusertätigkeiten.

Den Stein ins Rollen brachte Richter Bernhard Ring vom Amtsgericht Cham. Mit Billigung des bayerischen Justizministeriums versieht der Jurist schon seit einigen Monaten einen Teil seines Dienstes an der deutsch-tschechischen Grenze. Doch während er bisher noch auf Anrufe von den zuständigen Grenzern wartet, soll er demnächst gleich seinen Amtssitz an die Grenze verlegen.

Dies teilte gestern auf Anfrage das bayerische Justizministerium mit. Die nähere Ausgestaltung des Grenzgerichts obliegt dem Landgericht Regensburg. Bis zum endgültigen Start des neuen Modells dürfte es nach Ansicht von Ministeriumssprecher Gerhard Zierl wohl Herbst werden. Vorteile soll die neue Einrichtung für alle Beteiligten haben. „Die Justiz wird entlastet, die Sicherheit erhöht, und die Verdächtigen sitzen nicht so lange in Untersuchungshaft“, faßt Gerhard Zierl zusammen.

Üblicherweise kommt es erst dann zu einem Gerichtsprozeß, wenn die Staatsanwaltschaft von der Polizei die Akten erhalten und daraus eine Anklageschrift erstellt hat. Dieser Dienstweg kann bei Delikten ohne zusätzlichen Ermittlungsaufwand gespart werden, wenn der aufgegriffene Täter noch am selben Tag im „beschleunigten Verfahren“ abgeurteilt wird.

Derartige Schnellprozesse werden derzeit in vielen Bundesländern gefördert. Neu ist in Bayern der Ort und die Zielgruppe. Gerade Flüchtlinge und Ausländer ohne deutschen Wohnsitz mußten bisher wegen „Fluchtgefahr“ in U-Haft auf Strafprozesse warten. Für sie könnte sich der Zeitraum bis zur Abschiebung deutlich verkürzen.

Ob sie das ebenfalls als Fortschritt ansehen, bleibt abzuwarten. Christian Rath