Frankreich muß für den Euro wählen

■ Mit vorgezogenen Parlamentswahlen will Präsident Chirac die konservative Regierung bestätigen lassen. Dann hat er freie Bahn für ein rigoroses Sparprogramm

Paris (taz) – Vom Amtssitz des französischen Präsidenten wurde gestern bestätigt, daß Jacques Chirac das französische Parlament auflösen und Neuwahlen ausschreiben wird. Noch bevor Chirac am Abend in einer Ansprache seinen Landsleuten erklären konnte, warum er knapp ein Jahr vor dem regulären Termin trotz stabiler Mehrheitsverhältnisse und ohne sichtbare nationale Krise einen solchen Schritt für notwendig halte, hatte Sozialistenchef Lionel Jospin den Wahlkampf mit einem Fernsehinterview bereits eröffnet. Und auch die anderen Parteien begannen Wahlplakate zu kleben.

Was sich damit in Frankreich anbahnt – der erste Wahlgang wird Ende Mai oder Anfang Juni, der zweite eine Woche danach stattfinden –, werden Präventivwahlen sein. Ihr Ziel ist es, die konservative Mehrheit bestätigen zu lassen, damit sie anschließend ungestört von neuen Wählervoten die harte Sparpolitik betreiben kann, die für die Vorbereitung auf den Euro nötig ist. Der Opposition nimmt Chirac mit vorgezogenen Neuwahlen den Wind aus den Segeln. Weder Sozialisten und Grüne – die bislang lediglich die Wahlkreise untereinander verteilt haben – noch Kommunisten und Bürgerbewegung – die beide an der Vorbereitung eines Euroreferendums arbeiteten – sind auf Wahlen binnen so kurzer Zeit politisch und organisatorisch vorbereitet. Daß ihre Sprecher gestern trotzdem siegesgewiß auftrumpften, gehört zum Geschäft.

Sollte der Pariser Politpoker aufgehen, werden die jetzigen Regierungsparteien, die neogaullistische RPR und die liberalkonservative UDF, auch nach den Wahlen wieder die Regierung stellen. Auch wenn ihre Mehrheit in dem künftigen Parlament nicht mehr ganz so absolut sein wird wie bisher. Angesichts einer Legislaturperiode von fünf Jahren hätte Chirac damit freie Hand bis zum Ende seiner eigenen Amtszeit im Jahre 2002. Hand in Hand mit einem alt-neuen Premierminister Alain Juppé könnte Chirac den Staatshaushalt reduzieren, bis das Defizit nicht mehr die für den Euro verlangten drei Prozent überschreitet, und das Wahlvolk hätte keine Möglichkeit mehr, einzuschreiten.

Ob die Protestbewegungen auf der Straße, im öffentlichen Dienst und in den Fabriken, die in den letzten Monaten immer wieder neue Höhepunkte erlebten, ihre Kampfkraft auch unter einer Regierung Juppé II bewahren könnten, scheint durchaus fraglich. Dorothea Hahn