„Bild“ enthüllt: Waigel plant Ölkrise

■ Finanzminister will angeblich die Mineralölsteuer zum 1. Juli um 18 Pfennig pro Liter erhöhen. Damit soll die umstrittene Steuerreform doch noch gerettet werden. SPD zeigt sich über diesen Einstieg in die Ökosteuer überrascht

Berlin (taz) – Pünktlich zum Beginn der Sommerferien wird das Benzin drastisch teurer: um 18 Pfennig auf einen Schlag. Keine neue Ölkrise löst den Preissprung aus, sondern die Steuernot der Regierung. Denn damit setzt sie im Handumdrehen die geplante Steuerreform in die Realität um. Vor dem morgigen Steuergipfel mischte die Bild-Zeitung die Bonner mit der Meldung auf, Finanzminister Waigel wolle die Mineralölsteuer zum 1. Juli erhöhen. 14 Milliarden Mark würde er mit einer zusätzlichen Steuer von 18 Pfennig pro Liter einnehmen. Damit ließe sich eine Senkung der Lohnnebenkosten finanzieren: Die Arbeitslosenversicherung könnte um ein Prozent billiger werden. Dies wird allseits zur Schaffung von Arbeitsplätzen als notwendig erachtet.

Schon seit einigen Wochen bahnt sich ein solcher Steuerkompromiß mit der SPD an. Denn SPD-Chef Oskar Lafontaine hatte immer wieder angekündigt, daß die Opposition die Steuerreform nur mittragen könnte, wenn zugleich die Sozialabgaben abgebaut würden. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Schäuble hatte zugestimmt: Über eine Senkung der Lohnzusatzkosten bestehe Einigkeit. Bislang war offengeblieben, ob dies durch eine Erhöhung der Mehrwert- oder der Spritsteuer finanziert werden solle. Die SPD fordert seit langem, mit Hilfe von Ökosteuern die Lohnnebenkosten zu senken.

Jetzt überholt die CDU die Opposition anscheinend locker links und biegt Richtung ökologische Steuerreform ab. Zwar dementierte Kanzler Helmut Kohl, daß die Mineralölsteuer ab 1. Juli um 18 Pfennig erhöht werde, und lehnte in einem Brief an Lafontaine eine „bloße Umfinanzierung“ durch Erhöhungen bei Mineralöl- und Mehrwertsteuer ab. Auch Waigel sprach von „reiner Spekulation“ – doch behauptete niemand, daß die Spekulation völlig falsch sei und daß eine Steuererhöhung um einen anderen Betrag oder zu einem anderen Zeitpunkt ausgeschlossen sei. Im Finanzministerium hieß es, wenn für die Senkung der Sozialabgaben eine Steuer erhöht werden müßte, dann würde der Minister die Mineralölsteuer bevorzugen. Bereits morgen will Waigel auf dem Steuergipfel von Koalition und SPD über die Mineralölsteuer verhandeln.

Die SPD wirkte gestern reichlich düpiert. „Wenn's so wäre“, kommentierte der haushaltspolitische Sprecher der SPD- Bundestagsfraktion, Karl Diller, gegenüber der taz, „wäre das tatsächlich das, was wir als Konzeption haben.“ Theo Waigel dürfte seinen Vorstoß taktisch angelegt haben. Denn so könne sich die SPD kaum widersetzen. Die SPD hatte einen Vorschlag erarbeitet, wonach eine Senkung der Sozialabgaben durch eine Verteuerung der Mineralölsteuer um sechs Pfennig und durch ein Prozent höhere Mehrwertsteuern finanziert werden solle.

Bereits am Wochenende war jedoch bekanntgeworden, daß in den ersten drei Monaten 1997 ein Haushaltsloch von 40 Milliarden Mark entstanden ist – und das in einem Jahr, in dem die Kandidaten für die Europäische Währungsunion höchste Haushaltsdisziplin vorweisen müssen. Kein Wunder, daß SPD-Haushaltsexperte Diller daher den „stillen Verdacht“ hegt, Waigel wolle die Mineralölsteuer nun aus schierer Not so schnell heraufsetzen. Da die Spritsteuer allein in den Bundeshaushalt fließt, dürfen die Länder nicht mitreden, und ein Gesetz könnte in Windeseile durchgepaukt werden. Die versprochene Senkung der Lohnnebenkosten könnte dann bis auf nächstes Jahr verschoben werden. Nicola Liebert Seiten 2 und 4

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