Bombiger Nachlaß

Wie eine Hamburger Studentin Sprengstoff erbte und damit „großen Spaß“haben wollte  ■ Von Marco Carini

Was wollten eine Studentin, ein Fernsehtechniker und ein Arbeitsloser mit einer selbstgebastelten Bombe anstellen? Diese explosive Frage bereitete dem Hamburger Amtsrichter Thomas Hinrich gestern Kopfzerbrechen. Denn die drei Angeklagten erzählten ihm eine Geschichte – so unglaublich, daß man sie kaum erfinden kann.

Ende 1994, kurz nach dem Tod ihres Mannes, findet Danijela G. in der gemeinsamen Wohnung sorgsam versteckte Waffen und jede Menge Plastiksprengstoff. Da die BWL-Studentin ahnt, daß ihr Gatte in kriminelle Machenschaften verstrickt war, fürchtet sie, Bekannte des Verstorbenen könnten diesen Nachlaß begehren. Sie beschließt, die Sachen nicht wegzuwerfen, sondern im Konfliktfall auszuhändigen. In einer Jute-Tasche bringt sie den heißen Stoff zu einem besonders „vertrauenswürdigen“Freund ihres Mannes, dem Fernmeldemechaniker Wolfgang L.

In dessen Keller hatte ihr Gatte bereits eine Kiste mit Sprengstoff, Waffen und gefälschten Ausweisen deponiert. Wolfgang L. ahnt zwar, „daß ich mich strafbar mache, wenn ich sowas lagere“, doch mochte er weder seinem Freund noch später dessen Witwe die kleine Gefälligkeit verweigern. Der explosive Nachlaß, der laut Staatsanwaltschaft ausreichen würde, ein „Hochhaus in die Luft zu sprengen“, gerät in Vergessenheit.

1996 lernt Danijela G. den Iraner Shapap A. kennen. Der erzählt, sein Schwiegervater habe ihn übers Ohr gehauen. Die beiden überlegen, wie man dem „Betrüger“eine deftige Lektion erteilen könnte. Ein Action-Krimi, bei dem Fahrzeuge in Flammen aufgehen, ruft bei der Studentin die Erinnerung an den Sprengstoff im Jute-Beutel wach.

Danijela G. sucht Wolfgang L. auf und fragt ihn, ob er einen Fernzünder bauen könnte. Sie berichtet ihm, daß sie einen „großen Spaß“vorhabe: Ein Auto – das des Schwiegervaters von Shapap A. – solle in die Luft fliegen. Der wie immer hilfsbereite Freund willigt ein, unter einer Bedingung: Er hätte gern ein Video von der bombigen Aktion. Anschließend beauftragt er den körperbehinderten Michael D. mit dem Bau des Zünders, um dem arbeitslosen Mann „ein paar Mark zukommen“zu lassen. Die Konstruktion gelingt, doch der Tatplan wird aufgegeben. Danijela G., die nach eigenem Bekunden „nicht mal ein Videogerät bedienen“kann, empfindet den Umgang mit der Bombe plötzlich als doch zu heikel.

Dafür fliegt durch reinen Zufall die Sache auf, und das verhinderte „Trio Infernale“wandert in U-Haft. Die Polizei vermutet ob des ebenso reichlichen wie brisanten Fundes zunächst organisierte Bandenkriminalität oder gar finstere Machenschaften des iranischen Geheimdienstes. Doch die Ermittlungen in diese Richtung verlaufen im Sande.

Schließlich landet das Verfahren vor der untersten Instanz, dem Amtsgericht. Hauptvorwurf: unerlaubter Waffenbesitz. Das Urteil wird am 5. Mai gesprochen.