Real erlebte Folterwelt

■ Zwei türkische Jugendliche berichteten gestern in der Wichernschule in Hamm über Folterungen in ihrer Heimat

Stille herrscht im Andachtssaal. 140 Mädchen und Jungen gruppieren sich um den türkischen Parlamentsabgeordneten Sabri Ergül und die Schüler Boran (18) und Abdullah (19). Nicht zur Messe, sondern zu deren Bericht über real Erlebtes haben sich die Jugendlichen von der Wichernschule in Hamm eingefunden.

Die HamburgerInnen und Boran und Abdullah sind in etwa gleich alt, doch ihre Lebenswelten sind grundverschieden. Die türkischen Jungen haben Erfahrungen hinter sich, die die OberstuflerInnen, so einer der Schüler, niemals nachempfinden können: die Folter. Im Dezember 1995 waren sie in der türkischen Stadt Manisa mit 14 weiteren Jugendlichen festgenommen worden. Sie hätten Parolen an eine Wand gesprüht: „Für eine Schule ohne Gebühren“. Grund genug für die Sicherheitskräfte, die Jugendlichen zu foltern. Zehn von ihnen wurden aufgrund erquälter Geständnisse zu Gefängnisstrafen bis zu zwölf Jahren verurteilt.

Boran und Abdullah wurden freigesprochen – auch, davon sind sie überzeugt, aufgrund der internationalen Aufmerksamkeit. Die Wichern-SchülerInnen hatten mit einer Unterschiftenliste gegen die Mißhandlungen protestiert. Zudem appellierten sie in einem Brief an Hamburgs Bürgermeister Henning Voscherau, auf politischer Ebene zu protestieren.

Wie sie sich jetzt fühlen, wollen die SchülerInnen von Boran und Abdullah wissen, ebenso, wie Jugendliche in der Türkei jahrelang hinter Gitter geschickt werden können. Bei ihrer Unterschriftenliste soll es nicht bleiben. Was sie konkret jetzt noch tun könnten? Sabri Ergöl: „Die Prozesse gegen die Folterpolizisten beobachten, damit diese verurteilt werden“. ee