Kühlung kaputt, na und?

■ Für die HEW „normal“: Im Atommeiler Brunsbüttel fiel ein Sicherheitssystem aus

Erst eine Routineprüfung brachte es ans Licht. Eines der wichtigsten Sicherheitssysteme des Atomkraftwerks in Brunsbüttel war – möglicherweise wochenlang – außer Funktion. Wegen eines Ventil-Schadens war die Pumpe des Kernflutsystems der Anlage nicht einsetzbar. Das Kernflutsystem wird gebraucht, um bei einem Defekt der lebenswichtigen Kernkraftkühlung den Super-GAU aufzuhalten.

Allerdings, so wiegeln die Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) ab, ist das Kernflutsystem nur eines von sieben Notkühlsystemen, die bei Ausfall der Hauptkühlung jedes für sich allein die Kernschmelze verhindern könnten. Die Folge dieser Einschätzung: Die HEW meldeten die „Störung“dem Kieler Energieministerium als zuständiger Aufsichtsbehörde „fristgemäß“erst nach mehreren Tagen und stuften das „Ereignis“unter der Kategorie „Normal“ein. Der Schaden, so die HEW gestern, sei inzwischen „behoben worden“.

So normal wie die HEW findet das Energieministerium den Teil-Ausfall der Sicherheitstechnik allerdings nicht. Fachleute der Kieler Behörde inspizierten gestern den Atommeiler, prüften die Reparatur auf Herz und Nieren. Daß sich Kiel nicht mit reiner Flickschusterei zufrieden geben will, macht Ministeriumssprecher Friedrich Traulsen deutlich: „Die Ursachen für diesen Fehler müssen umgehend geklärt werden.“

Weitere Sachverständige sollen nun die „betroffene Sicherheitstechnik“eingehend unter die Lupe nehmen und herausfinden, ob sich der Defekt auch in anderen Kraftwerksbereichen wiederholen kann. Über die möglichen Konsequenzen für den Atommeiler wollte Traulsen gestern „nicht spekulieren“. Dazu sei es „noch zu früh“.

Schwere Defekte in Brunsbüttel haben Tradition: Von Mitte 1992 bis Mitte 1995 mußte der Reaktor vom Netz, weil zahlreiche Risse in den Reaktorleitungen und Schäden an den Isolationsventilen entdeckt worden waren. Marco Carini