Freies Heroin im Knast?

■ Reformeifrige Vollzugsbeamte beim Fachgespräch „Spritzen im Knast“

„Anstoßen“wollten die Grünen das Thema „Spritzenvergabe im Knast. Möglichkeiten in Bremen“gestern bei einem Fachgespräch in der Bürgerschaft. Schließlich hätte dieses Feld lange genug brach gelegen – jetzt lägen erste „positive Zwischenergebnisse“aus einem bereits laufenden Modellprojekt in Vechta vor, so der grüne Justizdeputierte Rainer Oellerich. Aber der Gesprächsanschub traf die Gäste aus dem Bremer Strafvollzug zur falschen Zeit. „Wir haben gerade eine Vollzugskrise in Bremen“, blockte Justizreferent Hartmut Krieg ab. Die Blockadehaltung nahm an diesem Tag sogar ziemlich groteske Züge an. Walter Stelljes vom Personalrat der JVA schob nämlich ein überraschendes Statement nach: Das Personal sei dagegen, nur „halbe Sachen“zu machen. Wenn Spritzen legal ausgegeben werden, sollte auch eine kontrollierte Heroinabgabe möglich sein.

Von den ersten positiven Meldungen aus Vechta wollten sich die VertreterInnen aus dem Bremer Vollzug nicht recht überzeugen lassen: Seit einem Jahr läuft das Modellprojekt im Frauenknast in Vechta. Dort werden an rund 40 Frauen Spritzen per Automat ausgeteilt – um Spritzentausch im Knast und damit Infektionen mit HIV oder Hepatitis zu vermeiden. Der Besitz von Drogen bleibe allerdings weiter illegal – Drogenfunde werden weiterhin der Staatsanwaltschaft mitgeteilt.

„Unspektakulär“und „undramatisch“laufe das Projekt an, resümierte Heino Stöver gestern die erste Phase. Er kommt von der Oldenburger Universität, die das Projekt wissenschaftlich begleitet. Ängste der Bediensteten, daß Spritzen als Waffen benutzt würden, hätten sich nicht bestätigt. Auch das Problem der Grauzone zwischen legaler Spritzenvergabe und illegalem Drogenkonsum hätte sich für das Personal in Grenzen gehalten. „Die Spritzenpraxis ist dort relativ reibungslos in den Alltag übergegangen. Denn es gibt strikte Regeln, wo die Spritzen zu liegen haben und daran haben sich die MitarbeiterInnen gewöhnt“, berichtete Heino Stöver.

Mehr wollte der Wissenschaftler jedoch nicht verraten: Gezielte Daten und Fakten gebe die Uni erst in einem Monat gemeinsam mit einem schriftlichen Zwischenbericht bekannt.

„Durchaus positiv“, fand Christine Gerlach von der „Kommunalen Drogenpolitik“aus Bremen diese ersten Aussagen und forderte JVA-Anstaltsarzt Klaus Fritsch dringlichst auf, sich auch in Oslebshausen für solch ein Projekt stark zu machen. Schießlich hätten sich verschiedene Vereine seit zehn Jahren vergeblich für eine Spritzenvergabe in Bremen engagiert. Neben dem fehlenden „politischen Willen“von Justizsenator Henning Scherf (SPD) seien vor allem die Bediensteten aus Angst vor dem Neuen als „Bremser in Erscheinung getreten“, fügte auch Rainer Oellerich von den Grünen hinzu. Aber der JVA-Anstaltsarzt Klaus Fritsch ließ sich nicht erweichen: „Für mich ist die Spritzenvergabe nach wie vor eine Grauzone. Wir ermöglichen da den Konsum von etwas, das eigentlich verboten ist“, fing er an, um dann zum entscheidenden Schlag auszuholen: „Wir sollten deshalb Nägel mit Köpfen machen und auch beim Stoff klare Verhältnisse schaffen“, so sein Plädoyer zu einer kontrollierten Heroinabgabe, das vor ihm auch schon Walter Stelljes vom Personalrat der JVA Oslebshausen von sich gegeben hatte.

Da staunte die versammelte Rund über soviel plötzlichen Reformeifer. „Ist ja ein interessanter Vorschlag, mit so einem Modell gerade im Knast anzufangen. Wo wir doch draußen sogar erst in der Prüfungsphase für solche Modelle sind“, fiel Heimo Stöver von der Oldenburger Uni dazu ein.

„Ein listiger Vorschlag“, befand auch ein Gast aus dem Publikum. Schließlich könnten sich die Spritzen-Gegner jetzt nicht mehr mit der rechtlichen Unklarheit aus der Affäre ziehen. Die Vergabe von Spritzen im Knast ist seit 1994 im Betäubungsmittelgesetz als nichtstrafbare Handlung eindeutig geregelt. „Jetzt fällt den Gegnern nur noch ein, einen Schritt zu überspringen – und damit ihre Gegner zu überholen. Wer hält schon für möglich, kontrollierte Heroinabgabe im Knast auch nur irgendwie durchzusetzen“, spekuliert der Jurist. kat