Zur Sache, Schätzchen Von Carola Rönneburg

Es ist eine alte Regel: Sobald zwei Menschen einander verfallen sind, beginnen sie, sich gegenseitig umzubenennen. Mag es auch vor kurzem bei Kerzenschein noch „Andreas! Was für ein schöner Name“ geheißen haben oder „Margot: das klingt einfach wundervoll“ – schon nach ein paar Wochen trägt die große Liebe nicht mehr ihren Klar-, sondern einen Kosenamen.

Man kann und sollte dieses Verfahren nicht abschaffen. So mancher erhält auf diese Weise ein schönes Pseudonym, das die Phantasielosigkeit der eigenen Eltern wieder wettmacht. Und selbst, wer an sich zufrieden ist mit seinem Eintrag im Personalausweis, trägt doch manchmal seinen neuen Namen voller Stolz. Ich zum Beispiel hieß einst „König Mopsos von Aspendos“: ein wahrhaft erhabener und respekteinflößender Titel, der allerdings nur in voller Länge seine Wirkung entfaltet, weshalb er nach seiner erstmaligen Verkürzung auf „Möpschen“ auch sofort wieder abgeschafft wurde. Bei der Vergabe von Kosenamen gilt grundsätzlich eine vierwöchige Widerspruchsfrist. Das ist ebenfalls eine alte Regel.

Nur wenige machen allerdings von ihr Gebrauch, wie ein Blick in die „Gruß & Kuß“-Abteilung der Lokalpresse zeigt: „Spatzi liebt Schneckchen“ steht dort geschrieben, „Ein dicker Kuß für Bienchen von Tiger“, „Häschen vermißt Bärchen“ oder, mit Blumenrand geschmückt, „Knuffel grüßt Mausezahn“. Eins ist sicher: Solche Inserenten nennen sich auch gegenseitig „Schnäuzelchen“, wenn Besuch da ist – womit wir nun langsam zum Kern des Problems vordringen. Kosenamen sind nämlich ausschließlich für den Hausgebrauch bestimmt, und diese noch viel ältere Regel sollte unbedingt Beachtung finden.

Den Anlaß zu dieser freundlichen Erinnerung gab ein reichlich großformatiges Inserat im Anzeigenblatt Der Weseler. „Meine wunderbare ,Hexe‘“, begann das Dokument des Grauens, das gleich zwei Fotografien der „Hexe“ zeigte, „du bist jung, schön und intelligent, eigentlich perfekt. Einen Fehler hast du jedoch. Du bist immer noch nicht meine Frau!“ Wie man sich denken kann, hatte der Anzeigenauftraggeber vor, diesen Zustand zu ändern. Genau – „hier und heute“ fragte er, ob sie seine Frau werden wolle. „Ich verspreche Dir auch drei Mahlzeiten am Tag, eine trockene Wohnung und einen sicheren Arbeitsplatz als Hausfrau und Mutter“, fuhr der Heiratswütige fort. Lieben werde er seine Zukünftige auch, versprach er, „aber immer nur soviel, daß Du es gerade noch ertragen kannst“. An dieser Stelle überfiel mich Mitleid mit der „Hexe“. Schließlich erfuhr ganz Wesel so von ihrer Verbindung mit einem Hobbykabarettisten. Das Gefühl hielt jedoch nicht lange an. Unterzeichnet war der öffentliche Heiratsantrag nämlich mit „Dein ,Ärschken‘“ – und so tief kann nicht einmal ein Hüsch-Anhänger sinken, daß er sich selber so tauft.

Oder doch? Vor meinem geistigen Auge sah ich das Ehepaar in spe in einem kleinen Lokal bei Kerzenschein. „Dieter“, sagte die Hexe, „was für ein hübscher Name!“ Der lustige Dieter nahm ihre Hand, sah ihr tief in die Augen und raunte ihr zu: „Laß mal den Dieter. Meine Freunde nennen mich Ärschken...“

Ob etwas aus den beiden geworden ist, weiß ich nicht. Ich will es auch gar nicht wissen.