Frühjahrsgutachten: Der Euro rollt planmäßig los

■ Kreis der Teilnehmer an der gemeinsamen Währung könnte größer als erwartet sein

Berlin (taz) – Die Bundesrepublik wird die Maastricht-Kriterien knapp verfehlen, aber trotzdem bei der Europäischen Währungsunion dabeisein. Diese Prognose machten gestern die sechs führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrem traditionellen Frühjahrsgutachten. Auch Kanzler Kohl glaubt: „Wir werden den Euro bekommen. Wir werden ihn termingerecht bekommen. Und wir werden in Deutschland auch die Kriterien erfüllen.“ Die Forscher gehen sogar davon aus, daß die Währungsunion mit einem recht großen Kreis starten wird. Denn eine Auslegung der Stabilitätskriterien, „die auf einer exakten Einhaltung der fiskalischen Referenzwerte besteht, wird sich voraussichtlich nicht durchsetzen“.

Das deutsche Haushaltsdefizit wird demnach in diesem Jahr 3,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachen – 0,2 Prozent mehr als der Grenzwert, den Finanzminister Waigel für zulässig erachtet.

Auch in Brüssel scheint man der Ansicht zu sein, daß es eine große Euro-Gemeinde geben wird. Ende 1997 werden sich nach Ansicht von EU-Experten 13 Staaten qualifizieren, so die Financial Times vorab. Lediglich Griechenland und Italien müßten draußen bleiben. Die EU- Prognose soll heute veröffentlicht werden.

Finanzminister Waigel wird von den Wirtschaftsforschern zur Räson gerufen. Er müsse das Risiko für die Konjunktur bedenken, wenn er durch Sparbemühungen und zusätzliche Steuern und Abgaben um jeden Preis das Defizit auf maximal drei Prozent drücken wolle.

Ein wesentlicher Grund für das große Haushaltsloch seien die Kosten der Arbeitslosigkeit. Im laufenden Jahr dürften 4,28 Millionen Menschen ohne Job sein, 32.000 mehr als 1996. Dabei trage die Verunsicherung von Wirtschaft und Verbrauchern über Steuerreform und Währungsunion dazu bei, daß die Konjunktur nicht recht anzieht. Das Wirtschaftswachstum soll sich auf 2,25 Prozent belaufen, 0,25 Prozent unter der von der Regierung angepeilten Marke. Daß die Wirtschaft überhaupt wächst, sei vor allem eine Folge der international niedrigen Zinsen und der gestiegenen Exporte. Nicola Liebert

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