„Ich will keinen Spieler mundtot machen“

■ Klaus-Peter Nemet, neuer Trainer beim abstiegsbedrohten Bundesligisten FC St. Pauli, positioniert sich vor dem heutigen Spiel gegen Rostock als Gegenpol zu Vorgänger Maslo

taz: Haben Sie sich schon an die neue Rolle gewöhnt?

Klaus-Peter Nemet: Man ist nur noch mit dem FC St. Pauli beschäftigt und wird damit Tag und Nacht konfrontiert. Das ist für mich eigentlich nichts Neues, nur wird man jetzt selber gefragt. Aber das ist auch gut so: Ich habe ja eine eigene Meinung. Die hat unter Maslo nicht viel gezählt.

Sie waren für die Torhüter und organisatorische Dinge zuständig.

Ein Cotrainer muß immer machen, was der Chef will. Man muß loyal sein, auch wenn man sich vielleicht nicht leiden kann. Ich mußte bislang immer im Hintergrund bleiben. Für Aufstellung, Taktik und Trainingsinhalte war ich ja nicht verantwortlich. Deshalb kann ich für die Misere auch nichts. Jetzt will ich zeigen, daß ich eigene Ideen habe und sogar vier Sätze hintereinander sprechen kann.

Wie sehen Ihre Ideen aus? Kommt nach dem alten Zuchtmeister Maslo jetzt der „Volker Finke des Nordens“, der junge, einfühlsame Übungsleiter?

Jung ist gut. Ich habe natürlich eine andere Ausbildung als Herr Maslo und bin in einer anderen Zeit aufgewachsen. Ich habe eine andere Nähe zu den Spielern und pflege einen anderen Umgangston. Fachlich und in der Sache aber sehr direkt, ich erwarte ja auch etwas von den Spielern.

Was denn?

Ich will mündige Spieler, die eine eigene Meinung haben und ihre Ideen einbringen. Ob die katholisch sind oder evangelisch, weiß oder schwarz, ist mir egal. Ich will niemanden mundtot machen.

Wie wollen Sie die Spieler davon überzeugen, daß es sich bei Ihnen lohnt, etwas zu wagen?

Sie werden meine Arbeit akzeptieren, weil sie merken, daß das von jemandem kommt, der Fachverstand hat. Sie werden davon profitieren, daß ich nicht nur Sport, sondern auch Pädagogik studiert habe. Ich bin ehrlich zu allen, und das erwarte ich auch umgekehrt.

Und wenn es trotz einer neuen Gesprächskultur nicht laufen sollte?

Wenn sie die Leistung, die ich von ihnen erwarte, nicht bringen, gibt es auch Einschränkungen. Die werde ich ihnen aber plausibel erklären.

Also vor dem Straftraining ein paar nette Worte?

Es nützt nichts, als autoritärer Bursche aufzutreten. Straftraining ist doch immer nur die letzte Konsequenz der Inkompetenz.

Felix Magath, Ihr gleichaltriger Kollege vom HSV, sieht das anders. Der nennt Ernst Happel und Branko Zebec als Vorbilder.

Das kommt gut rüber, wenn ich das erzähle. Aber ernsthaft kann man einen Happel und einen Zebec heute nicht mehr verkaufen. Ich kann das nicht mehr auf die heutige Zeit transferieren. Was vor zehn oder zwanzig Jahren gut war, greift heute nicht mehr. Das muß man einfach erkennen, auch als Trainer.

Wie finden Sie den Zeitpunkt Ihres Einstiegs?

Es ist der ideale Zeitpunkt für mich, allerdings hätte ich gerne mehr als nur noch sechs Spiele gehabt. Ich bin immer dann am besten, wenn ich unter Druck stehe.

Ihre Mannschaft auch?

Die wird hochmotiviert sein. Meine Aufgabe ist es, die Köpfe von irgendwelchen Altlasten freizumachen. Ich will Spaß und Spielfreude reinbringen und vermitteln, daß noch alles möglich ist, wenn man will. Da muß man auch die Mentalität umpolen. Ich will eine Siegermentalität vermitteln. Die Deutschen sind halt so gestrickt, daß sie immer fast schon negativ veranlagt sind. Die Amerikaner sind da anders. Positiv denken ist meine Philosophie.

Ist der Klassenerhalt wirklich so einfach zu haben?

Das Potential für die erste Liga ist vorhanden, wenn jeder an seine Leistungsgrenze geht und alle zusammenhalten. Dann können wir es schaffen.

Warum gerade unter Ihrer Regie?

Wenn ein Trainer von außen kommt, hat der nach den sechs Begegnungen gerade mal die Vornamen der Spieler drauf. Ich kenne die Mannschaft. Insofern bin ich für den Verein die beste Lösung.

Auch auf Dauer?

Ich will Cheftrainer bleiben. Ansonsten beschäftigt mich nur das Spiel heute abend. Interview: Clemens Gerlach