Die Frau, das menschlichere Wesen

■ Frauen mit anderer Sozialisation geben Anstöße für eine bessere Politik

Die Frauenquote, was ist über sie nicht alles schon gelästert worden: Bürokratisch sei sie (stimmt!); sie achte nicht auf Qualität, sondern einseitig auf Geschlecht (als könnte das ein Gegensatz nur dann sein, wenn es um Frauen geht!); sie widerspreche dem weiblichen Ehrgefühl (warum eigentlich? Ist das Ausführen männlicher Anordnungen ehrenvoller?), dem weiblichen Selbstbewußtsein (als ob sich das nicht sowieso in der neuen Position bewähren müßte) und wirke so der wahren Emanzipation von Frauen entgegen.

Solche Vorhaltungen bekommen wir Frauen seit Beginn der Diskussion über die Quote in den siebziger Jahren Tag für Tag eingehämmert. Der Zweck der Übung ist klar: Wenn sich schon nicht verhindern läßt, daß über das Hilfsmittel der Quote eine immer größere Zahl von Frauen ihre Chance erhält, in Entscheidungspositionen zu kommen, dann sollen diese Frauen in der öffentlichen Meinung wenigstens als „Quotenfrauen“ herabgesetzt und lächerlich gemacht werden. Damit werden sie eingeschüchtert, in die Defensive gedrängt, bleiben schön willfährig oder wenigstens abhängig und unwirksam. Das funktioniert bei einigen Frauen durchaus, bei den meisten allerdings nicht mehr: Die haben diese Tricks durchschaut. Schade allerdings, daß auch Frauen sich dazu hergeben, in gleicher Weise gegen Frauen loszugehen. Meistens sind das solche, die zur Veränderung der Gesellschaft ebenso wenig Neues beizutragen haben wie Männer, deren Beifall und Unterstützung sie suchen. Sicher gibt es auch andere Motive bei anderen Quoten-Gegnerinnen: Manche von ihnen meinen vielleicht, Solidarität und Unterstützung durch Frauen nicht zu brauchen, weil sie selbst so toll sind. Sie kommen, anders als Inge Wettig-Danielmeier, Karin Junker oder ich, auch nicht auf die Idee, mehr weibliche Sozialisationserfahrungen könnten beispielsweise in Gemeinderäten kleinerer Orte, in Verwaltungen, in Gerichten, aber auch in Betrieben und Behörden deshalb notwendig sein, weil nur so die nötigen Anstöße zur Umorientierung unserer Gesellschaft möglich werden. Das aber ist der Zweck der Quote – durch mehr Frauen mit anderer Sozialisation neue Anstöße für eine menschliche Politik zu geben.

Schließlich kommen manche Gegnerinnen, aber auch viele Gegner der Quote nicht darüber hinweg, daß Quoten Wirksamkeitsgrenzen haben. Die haben sie. Und deshalb sind solche Einwände immer berechtigt. Außerdem entsprechen sie guter puristischer Tradition; eine ganz andere Frage ist es, ob solche Einwände, die ja gegen nahezu jede Neuerung vorgebracht werden können, der Emanzipation dienen. Deshalb nochmals: Die Quote und auch ihre von der CDU bevorzugte kleinere Schwester, Quorum genannt, taugen beide dazu, um menschliche Politik, Selbstbewußtsein und Gleichstellung der Frauen über die nächsten Schritte zu bringen, die heute nötig sind. Diesen begrenzten Zweck erfüllen sie gut. Sie schaffen es nämlich, Türen aufzustoßen, die Frauen bisher verschlossen blieben; sie bieten Chancen, die Frauen sonst nicht hätten, und geben so die Möglichkeit zur Innovationen und menschlichen Umgestaltung unserer Gesellschaft. Mehr nicht, aber das ist eine ganze Menge. Klar ist allerdings auch, daß Frauen Chancen ergreifen müssen, daß sie sich selbst bewähren müssen, daß sie Gesellschaft verändern müssen, nachdem die Türen aufgestoßen sind.

Für mich immer wieder erstaunlich bleibt, wie wenig sich die männlichen Quoten-Krittler und auch manche weibliche Quoten- Skeptikerinnen bemüßigt fühlen, die Erfolge dieser Quote in den kurzen Jahren ihrer Wirksamkeit wenigstens zu registrieren. Die gibt es nämlich, weit über die bloße Zahl der zusätzlichen Frauen in Führungspositionen hinaus: Heute haben wir viele weibliche Vorbilder in Führungspositionen; Anstöße für Innovationen sind in vielen Gemeinderäten zu spüren, mehr traditionell „weibliche“ Schwerpunkte spielen sogar in Katalogen für Führungsqualitäten in Unternehmen und in der öffentlichen Meinung eine Rolle.

Vielleicht machen solche Erfolge auch Angst? Gerade jetzt, wo durch die neoliberale Unterstützung der Globalisierungspolitik auch viele Männer um persönliche Chancen fürchten müssen? Für sie liegt es nahe, das Rad so weit zurückzudrehen, wie das irgend geht. Natürlich im modernen Rahmen. Und deshalb ist das Betonen von Ungleichheit und Unterschieden so modern. Deshalb auch unterstützen viele ein Bild von Leistungsträgern, das nur die Lebenssituation von bis zu 35jährigen, familiär ungebundenen, gutausgebildeten und mobilen Männern zeigt. Und unsere Zukunft in einer menschlichen Gesellschaft? Was macht die? Sie bleibt auf der Strecke, denn jene 35jährigen Leistungsträger, die gibt es heute schon in Massen. Sie sehen schon heute so aus, als würden sie irgendwo zentral geklont und anschließend gleichmäßig auf alle Institutionen verteilt: ununterscheidbar, freundlich, nichtssagend, gleich funktionierend. Innovationen, Gerechtigkeit, Menschlichkeit, die sind, gerade in schwierigen Zeiten, von ihnen nicht zu erwarten. Herta Däubler-Gmelin