„Demokraten als neue Geiseln“

■ Der peruanische Psychoanalytiker César Rodriguez Rabanal befürchtet eine Zunahme der Repression und der Gewalt im Land

César Rodriguez Rabanal, Arzt und Psychoanalytiker, ist Mitglied des Oppositionsbündnisses „Demokratisches Forum“ und Autor des Buches: „Elend und Gewalt. Eine psychoanalytische Studie aus Peru“ (Fischer Verlag, Frankfurt/ Main).

taz: Fujimori ging aus der Geiselkrise als Sieger hervor, was bedeutet das für Peru?

Rabanal: Es hat sich die militärische Logik durchgesetzt. Die Falken innerhalb der Regierung haben die Oberhand gewonnen. Das ist gefährlich, denn in den Köpfen der Menschen setzt sich fest, daß dieses Vorgehen wirksam und daher „gut“ ist. Nach mehr als 100 Tagen Geiselkrise gab es bei vielen Peruanern so eine Art Untergangsgefühl. Und jetzt kommt Fujimori als der Befreier, der das Böse, sprich die MRTA, ausgetrieben hat. Er war dabei ja auch recht erfolgreich, denn schließlich ist dabei „nur“ eine Geisel ums Leben gekommen, und das zählt. Die Gefahr ist jetzt, daß die Demokraten Perus die neuen Geiseln des Landes werden. Ich hoffe nicht, daß es soweit kommen wird, das hängt davon ab, wie stark die demokratischen Kräfte sein werden, aber die Gefahr ist da.

Was bedeutet das gewaltsame Ende der Geiselnahme für das künftige politische Klima des Landes?

Die Leute auf der Straße sind erleichtert. Der Terrorismus ist für sie aus der Welt geschafft, das Land ist befreit. Es ist ein bißchen mit der Stimmung zu vergleichen, die nach der Verhaftung des Chefs des „Leuchtenden Pfads“, Abimael Guzman, aufkam. Für Fujimori ist es ein großer Sieg. Er hat allen gezeigt, wo's langgeht. Die Botschaft lautet: Wir greifen durch. Jetzt steht ein Anstieg der Repression zu befürchten. Fujimoris Ziel ist die Wiederwahl, sozusagen die Verewigung der Macht. Die Repression wird sich gegen alle richten, die sich da Fujimori in den Weg stellen.

Ist es glaubhaft, daß die japanische Regierung nichts wußte?

Nein, das würde sich Fujimori nicht trauen. Er hat sich ganz bestimmt das Einverständnis der Japaner geholt, auch wenn er wahrscheinlich nicht den genauen Zeitpunkt bekanntgab.

Warum handelte die Regierung gerade jetzt?

Fujimori steckt seit zwei Wochen in einer schweren Krise, die demokratische Fassade seiner Regierung bröckelte. Eine Geheimdienstmitarbeiterin wurde zerstückelt und eine andere gefoltert, weil sie Informationen über eine paramilitärische Bande, die Colino- Gruppe, an die Presse weitergegeben haben. Die Folterer der Frau waren Armee- und Geheimdienstangehörige. Darüber hinaus hat ein Fernsehkanal enthüllt, daß der Berater von Fujimori, Montesinos, im vergangenen Monat laut Steuererklärung 80.000 Dollar verdient haben soll. Innerhalb von zwei Wochen sank die Popularität Fujimoris um elf Punkte. Der Angriff war auch in seinem eigenen Interesse.

Wird Fujimori dieser Sieg nutzen?

Im Moment schon. Er sonnt sich in seinem Erfolg. Doch seine Stellung war vor dem Angriff nicht die beste. Es hängt jetzt von der Stärke der demokratischen Kräfte ab.

Wird es weiterhin gewalttätige Konflikte geben?

Die Gewalt war in Peru immer da. Und auch die Ursachen der Gewalt sind jetzt nicht beseitigt. Die Hintergründe der strukturellen Gewalt sind dieselben geblieben.

Das Ergebnis scheint Fujimori recht zu geben. Seine starre Haltung hat sich – so scheint es – bewährt, und er sagt, daß seine Art, die Krise zu lösen, ein Beispiel für die Welt sei. Ist es das?

Ich glaube nicht. Daß sich die Starrsinnigkeit bewährt zu haben scheint, halte ich für gefährlich. Denn es ist die Logik des Abschreckungsdenkens: Greife hart durch, dann werden die anderen schon nicht frech. Doch auf Abschreckung baut man keinen Frieden. Interview: Ingo Malcher