„Elben Fründinnen mütt se ween“

■ Die Fußballerinnen des Schmalfelder SV sind das einzige Team aus Hamburg und Umgebung in der Frauen-Bundesliga – noch: Die Schleswig-Holsteinerinnen kämpfen gegen den Abstieg aus der höchsten Spielklasse

Der gutgemeinte Rat kommt aus der Tiefe des Vereinsheims. „Elben Fründinnen mütt se ween“, geben sich die plattdeutsch klönschnackenden Fußballrentner am Tresen des Schmalfelder Sport-Vereins dem eigenen Sachverstand hin. „Beeder öber de Flünken speelen, denn eegenen Svienshund öberwinnen.“Früher war nämlich alles anders – irgendwie besser. Da habe mann noch gekämpft bis zum Umfallen und unter weit weniger guten Bedingungen den Ball getreten.

Geändert hat sich in der Tat etwas. Fußball wird nach wie vor gespielt im 1000-Seelen-Dorf Schmalfeld, das rund 30 Kilometer nördlich von Hamburg liegt. Nur geben inzwischen „die Mädels“, wie einige Fußballweise sagen, den Ton beim SSV an und nicht die Männer des Vereins – genau wie in den umliegenden Dörfern.

Die Schmalfelder Frauen kicken als einziger schleswig-holsteinischer Verein in der Bundesliga, Gruppe Nord. Hamburger Konkurrenz gibt es nicht. Im vergangenen Jahr hat der SSV den Wiederaufstieg ins Oberhaus geschafft. Die Jungs bewegen sich hingegen mit der Kreisklasse A auf einem ziemlich niedrigen Niveau. Sie müssen die weibliche Vorherrschaft neidvoll anerkennen: Der Alptraum eines Fußballmachos schlechthin.

„Wenn über den SSV gesprochen wird, ist meistens unsere Elf gemeint“, erzählt Nils Göttsche, seit eineinhalb Jahren Trainer der erfolgreichen Frauen. Die traditionelle Männerbastion Fußball existiert im südlichen Schleswig-Holstein nicht. Manch empfindlicher, in seiner Hobby-Ehre gekränkter Treter macht deshalb seiner Unsicherheit auch schon mal offen Luft. Dann wird in bekannt vehementer Manier der „Trikottausch“gefordert.

„Zu Anfang sind mir diese Sprüche ziemlich an die Nieren gegangen“, bekennt Mittelfeldspielerin Sandra Meyer. Seit sieben Jahren ist sie für die Grün-Weißen am Ball. „Mit der Zeit habe ich mir ein dickes Fell zugelegt“, sagt die 25jährige, „solche Kommentare wurden aber auch weniger.“Frauen- und Männer-Fußball seien nun mal nicht zu vergleichen. Es fehle den Frauen an Athletik und Dynamik, um den Vorstellungen mancher Zuschauer gerechtwerden zu können.

Meist verlieren sich auf dem Sportplatz an der Schulstraße weniger als 100 Getreue, um den Tabellensiebten im Abstiegskampf zu unterstützen. Noch ist die Qualifikation für die zukünftig eingleisige Bundesliga nicht sicher. „Bundesliga ist nicht gleich Bundesliga“, gibt Coach Göttsche zu bedenken, „die Enttäuschung steht vielen ins Gesicht geschrieben, wenn sie das erste Mal bei uns zusehen.“Das Zauberwort „Bundesliga“erweckt nicht selten Bilder, die dem wirklichen Leben einer Erstligaspielerin nicht entsprechen.

Schon gar nicht im kleinen Dorfverein, bei dem die Dinge noch etwas anders laufen. Durch Sponsorengelder und DFB-Unterstützung decken die Kickerinnen ihren Saison-Etat von 50.000 Mark. Der FC Bayern München hat einen Jahresumsatz von fast 150 Millionen Mark, der kränkelde HSV immerhin gut ein Drittel davon.

Manager Lutz Rohlf – das Mädchen für alles – dreht in den finanziellen Niederungen jede Mark um. „Wir sind sehr glücklich, daß wir einen Mann wie Lutz haben, der auf positive Weise echt bescheuert ist“, hebt Göttsche die Bedeutung ehrenamtlicher Helfer hervor, „ohne diese engagierten Leute wäre das Abenteuer Bundesliga in Schmalfeld unmöglich.“

Das Ehepaar Balschun, die Eltern von Spielerin Sonja, kümmert sich um das leibliche Wohl und bekocht das Schmalfelder Team, sowohl bei Heimspielen als auch bei längeren Auswärtstouren. Diese nehmen oft ganze Wochenenden in Anspruch. Auch das dreimalige Training und die Fahrt dorthin sind ein enormer Aufwand. In der eingleisigen Liga wird es nicht weniger sein.

„Nur eine gebürtige Schmalfelderin ist im Team“, erklärt Mannschaftsführerin Anke Welbers. „Alle anderen kommen von weiter her“, sagt die 31jährige, die schon einmal Deutsche Vize-Meisterin im Judo war und erst seit zwei Jahren Fußball spielt. Ob Rendsburg, Kiel oder Ratzeburg, aus ganz Schleswig-Holstein pilgern die Ballsportlerinnen nach Schmalfeld. Geld bekommen sie keines dafür. Im Gegenteil: Die Buffer, ihre Fußballschuhe, bezahlen und putzen sie selber. Ganztags gehen sie ihren Berufen als Kommissarin, Kindergärtnerin oder Journalistin nach.

Dennoch, meint Trainer-B-Lizenz-Inhaber Göttsche, werde auch im Frauen-Fußball künftig die Kohle regieren. „Wer das meiste Geld bietet, steht oben“, befürchtet der 30jährige eine Entwicklung wie bei den Männern. Schmalfeld wird wohl nie zu den Privilegierten zählen. Es gehöre viel Idealismus dazu, um den Problemen, die während einer Saison entstehen, zu begegnen. Sagt Göttsche.

Als einziger Mann sei es manchmal sehr mühsam, nennt er eine wesentliche Schwierigkeit: „Vor und nach dem Spiel bin ich in der Kabine nicht dabei und bekomme dadurch die Launen meiner Spielerinnen oft nur indirekt mit. Zudem kann ich mich als Mann in viele weibeigene Konflikte nicht hineindenken.“Erfahrene Übungsleiterinnen wären seiner Meinung nach die beste Lösung. Noch sind die die Ausnahme.

„Es steckt alles noch in den Kinderschuhen“, beschreibt Anke Welbers die Abseitsposition der deutschen Kickerinnen, „obwohl es Fußball ist, ist es nur eine Randsportart.“Daran werde sich auch in naher Zukunft nicht viel ändern. Der Spaß und die Kameradschaft stünden immer an erster Stelle. Der bedingungslose Erfolg sei weniger wichtig. In diesem Punkt scheinen die Fußballopas doch recht zuhaben: „Elf Freundinnen müssen sie sein.“Oliver Lück

Turbine Potsdam – Schmalfeld: Sonntag um 14 Uhr; nächstes Heimspiel am 14.5.1997 um 14 Uhr gegen TB Berlin