Wenn der Frack flattert

■ Der gerade 22jährige Dirigent Daniel Harding leitet ein Konzert der Deutschen Kammerphilharmonie / Wie's geht, sagte er der taz

Das Konzert der Deutschen Kammerphilharmonie heute abend dirigiert der junge Engländer Daniel Harding: Obwohl er gerade 22 Jahre alt ist, hat er bereits die Berliner Philharmoniker dirigiert. Deren Chef Claudio Abbado sagte über seinen jungen Assistenten: „Die Schoßröcke von seinem Frack fliegen noch zu heftig“. Ohne Frack sprach er mit der taz über seine ungewöhnliche Karriere.

taz: Daniel Harding, Sie sind 22 Jahre alt. Normalerweise beginnt die Laufbahn eines Dirigenten mit oder nach einem Instrumentalstudium. Die meisten fangen sogar erst nach jahrelanger solistischer Praxis damit an. Wie war das bei Ihnen?

Daniel Harding: Durch die Ausnahmeerscheinung Simon Rattle in Birmingham (Leiter des dortigen Orchesters; Anm. d. Red.). Simon hat dort das gesamte Klima verändert. Ich habe schon als Schüler nichts lieber gemacht als dirigieren. Ich wollte mit ein paar Freunden Schönbergs „Pierrot Lunaire“aufführen und habe ihn einfach gefragt, ob er uns helfen könnte. Ich war damals sechzehn. Da er mich schätzte, ist mein Weg eben so gegangen, ich wurde mit achtzehn sein Assistent.

Sie waren im vergangenen Jahr Assistent bei Claudio Abbados Berliner Philharmonikern. Was ist das für eine Tätigkeit?

Eine Mischung aus Zuhören und in Archiven sitzen. Ich mußte in Noten eintragen, was er gesagt hat, und ich mußte bei den Proben einfach zuhören und dann mit ihm sprechen, was mir aufgefallen ist.

Sie werden in einen Starbetrieb geschmissen, der im Ernstfall auch sehr brutal ist. Wie gehen Sie damit um, wenn Sie als „Dirigent der Zukunft“bezeichnet werden?

Ich habe da keine Probleme. Sicher, da gibt es ein Riesengebilde um und vor der Kunst selbst. Aber ich umgebe mich mit Leuten, die mich nicht puschen.

Haben Sie Vorbilder, auch aus der alten Generation, wie Wilhelm Furtwängler oder Arturo Toscanini?

Sicher, aber viele. Ich schätze Furtwängler für Wagner und Toscanini für Verdi. Ich bewundere die Technik von Carlos Kleiber, die Intelligenz von Bernhard Haitink, die Explosivität von Harnoncourt und das oft vollkommen Extreme von Gardiner. Für mich ist wichtig, daß die Musik aufregend und spannend wird; feste Vorstellungen, wie das zu geschehen hat, habe ich da nicht.

Um dieses alles auszuprobieren: Was ist im Augenblick für Sie besser, ein festes Orchester zu haben, das Sie kennen, oder viele Orchester, mit denen Sie jeweils ein Programm produzieren?

Im Augenblick ist es für mich wichtig, ganz viel an Repertoire kennenzulernen. Ich spiele mit den Orchestern, die mir diese Möglichkeit geben. Ich passe sehr auf, daß ich dafür Zeit rette, fürs Studieren, fürs Denken. Ich lese viel.

Zu dem Programm heute abend: Sie spielen die Ouvertüre von Cosi fan tutte. Verwerten Sie Erfahrungen der historischen Aufführungspraxis?

Sicher. Ich habe kurze Zeit bei Roger Norrington studiert.

Wenn man das riesige Repertoire betrachet, wie stehen Sie zu neuer, auch ganz neuer Musik?

Würd' ich sehr gerne machen. Ich habe im Augenblick das Problem, daß ich mir erst einmal ein Repertorie schaffen muß. Ich muß die großen Stücke der Klassik und Romantik kennen und können. Das hat Priorität. Aber die alten Stücke empfinde ich ja zum Teil auch so neu: Wieviel mehr war der Jean-Philippe Rameau, den wir im Konzert spielen, wahnsinniger und ausgeflippter als Musik von heute...

Was machen Sie, wenn Sie keine Musik machen?

Film, Skilaufen, meine Freundin....

Fragen: Ute Schalz-Laurenze

Konzert, Freitag, 25. April, um 20 Uhr, Glocke: Deutsche Kammerphilharmonie unter Daniel Harding. Solist: Olli Moustonen, Klavier