Rampensau im neuen Kleid

■ Neues von Kändler, Goldt und Scheibe im Jungen Theater

eid bös! Wir suchen Faules!“Mit diesem Aufruf sah sich das Premierenpublikum am Mittwoch abend im Jungen Theater konfrontiert. Kaum erholt, folgte die Drohung, man wolle „das Blut der Königin des Schwarzen“heraufbeschwören ...

Verantwortlich für dieses dunkle Dirigat ist Nomena Struß, Mitbegründerin des Jungen Theaters, Schauspielerin und Regisseurin. Als solche hatte sie vor knapp zwei Jahren mit „Das neue Kleid kriegst trotzdem du“Texte von Max Goldt und Friedhelm Kändler inszeniert. Zurück blieb das Bewußtsein des Erfolges und die Gewißheit, daß es noch mehr von diesen Autoren zu verarbeiten gäbe. Folge: „Das neue Stück heißt trotzdem Kleid“.

Naß ist es auch diesmal wieder. Der Swimmingpool der ersten Produktion mußte nun einer probaten Ozeanumspülung weichen, darin „Juana“, der gestrandete Dampfer. Hölzerne Notplanken führen durchs schwappende Meer der Boshaftigkeiten, auf denen Marion Freundorfer, Sabine Krings, André Erkau und Marc Scheibe taumelnd versuchen, sich selbst zu retten. Freilich auf Kosten anderer, wer kann sich schon an den eigenen Haaren herausziehen?

Zumal, wenn man in einer OBI-Gartenliege ruht, die schon durch ihre Stellung – lässig nach hinten gekippt oder aber streng aufrecht eingerastet – sofort den Charakter der Sitzenden verrät. Unruhe in die normierten Positionen kann da nur jemand bringen wie die junge Frau in Rot: Sie hat die Königskrankheit, ist ein Bluter und verlangt lustvoll nach Schlägen. Die OBI-Liegen bleiben starr, was sollen sie auch tun? Doch was treibt ihre Besetzer an, sich der Dame zu verweigern, Rache oder Barmherzigkeit?

Einmal eröffnet, wird der Aderlaß zum Blutsturz: Da verkommt die behütende Mutter zum Alptraum und der Gatte zum Symbol für die Stahlkrise im Saarland. Da erleuchtet die Liebe das Leben zweier Hexen, die allein im Dunkeln überleben können. Die zwangsgermanisierte Afrikanerin trägt ihren Führerschein im Krügli auf dem Kopf, die Inderin sächselt, und die Japanerin schwäbelt. Der Martini schlürfende Maurer versteht die Wand nicht zwischen sich und den biertrinkenden Kollegen, aber da sind ja noch die Fotos der Familie...

So stürzt die sich kräuselnde Seele hinab, immer tiefer, dahin, wo die Meerjungfrau haust und Embryos anbeißt. Immerhin bläst der Krebs seinem Aszendenten den Blues und spendet Trost, aber hinterhältig wie das Johannesevangelium: „Das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis begreift es nicht.“So ist die „Juana“alias „Drecksort“verdammt, weiter zwischen irgendwo und nirgendwo zu dümpeln.

Daß hingegen die Sprache nicht plätschert, versteht sich bei Schreibern von dem Kaliber Goldt/Kändler beinahe von selbst. Solche Texte, bemerkte Nomena Struß anläßlich der ersten „Kleid“-Folge, bedürfen eigentlich „einer Rampensau, die sich vorne hinstellt und alles gibt.“Das ist den SchauspielerInnen unter dem sensibel domestizierenden Griff der Regisseurin und der musikalischen Lotsenhilfe von Marc Scheibe zweifellos gelungen. So ist auch das neue Stück mehr als eine bloße Abfolge von Comedy-Nummern. Das neue Kleid ist vielmehr fein gewirkt, ein überraschendes Patchwork, erfreulich abscheulich, mit aberwitzigen Dessous. Es erscheint daher wahrscheinlicher, daß ein Fisch im Wasser ersäuft als dieses Stück in einer Pleite. dah

Weitere Überfahrten am 27.4, 30.4. bis 4.5. und 6.5. bis 10.5.