■ Ein halber Fußballverein wegen Meineids vor Gericht
: Die Schwalbe des Schiedsrichters

Muß in Kürze ein halber Fußballverein ins Gefängnis? Diese Frage quält ein ganzes Dorf, genauer gesagt die 600 Einwohner der Unterallgäuer Gemeinde Loppenhausen. Viele von ihnen waren vor nicht allzu langer Zeit einmal total fußballbegeistert. Doch vorbei sind die Zeiten, in denen der FC Loppenhausen an der Tabellenspitze in der Bezirksliga mitgespielt hat. Acht Anhänger, Spieler und sogar der Vereinschef des Allgäuer Fußballclubs stehen seit Mittwoch in Kempten vor Gericht, und zwar wegen Meineids.

Anlaß für die ungewöhnliche Verhandlung war eine Tracht Prügel, respektive eine Kopfnuß oder ein Schlag gegen die Brust des Schiedsrichters nach drei verhängten Roten Karten bei einem Spiel gegen den TSV Dietmannsried im Mai 1995. Der Übeltäter dieser Mai-Attacke wurde auf Lebenszeit gesperrt, außerdem rechtskräftig zu 3.500 Mark Geldbuße verurteilt. Die Berufung wurde nicht zugelassen, obwohl der Mann nach wie vor seine Unschuld beteuert. Nachdem er sein Trikot schon ausgezogen hatte, war er noch einmal auf den Fußballplatz in Richtung Schiri gestürmt. Seine Mitspieler erklärten hierzu später, der Schiedsrichter sei in dieser Situation definitiv nicht angerührt worden. Hätten sie dereinst ihre Aussagen vor Gericht auf die bloße subjektive Wahrnehmung der Vorgänge eingeschränkt, läge die Geschichte längst bei den Akten. So aber müssen sie sich wegen Meineids verantworten. Der Chef der Kemptener Staatsanwaltschaft, Günther Meltendorf, stellt fest, daß „im Rahmen der damaligen Verhandlung eine Vielzahl von Zeugen vernommen wurde und acht dieser Zeugen nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft unter Eid falsch ausgesagt hatten“. Für einige der Herrschaften eine regelrecht existentielle Frage, denn im Falle einer — nicht unwahrscheinlichen — Verurteilung droht eine Mindeststrafe von einem Jahr Gefängnis.

Die nicht als Zeugin geladene Ehefrau des aufgebrachten Fußballers berichtete Prozeßbeobachtern zum Prozeßauftakt, ganz genau gesehen zu haben, was damals passierte: „Ich kann Ihnen sagen, daß der Schiri eine Schwalbe gemacht hat!“ Einfach fallen lassen habe der sich, unterstellt die Spielergattin.

Auch nach Überzeugung der Verteidiger der acht Angeklagten gibt es nach wie vor keine gesicherten Aussagen darüber, was damals wirklich passiert ist. Fest steht, daß es nach der dritten Roten Karte zu heftigen Wortwechseln kam; um den Unparteiischen herum bildete sich eine Menschentraube, der Mann stürzte. Ob Theatralik oder nicht, es wurde jedenfalls ein Spektakel mit Rettungshubschrauber, Kripo und vielen Diskussionen. „So schlimm kann's gar nicht gewesen sein, denn zwei Stunden später ist der Schiri mit dem eigenen Auto weggefahren, als sei nichts gewesen“, berichtete ein Augenzeuge jetzt am Ende des ersten Verhandlungstages.

Wie's ausgeht, weiß noch keiner, aber im ganzen Allgäu gibt es derzeit kein Fußballspiel, bei dem nicht am Rande über diesen Prozeß gesprochen wird. Die ganz alten Geschichten kommen da wieder hoch, vom einstigen Ruf des „FC Kloppenhausen“, von der angeblichen Schiebung im Vorfeld des wichtigen Spiels, bei dem es um den Aufstieg ging und just der härteste Rivale um diesen Aufstieg, der FC Heimertingen, den Schiedsrichter stellte und daß deshalb dessen einseitiges Pfeifen gar nicht verwundern dürfe.

Das Vereinsleben der Unterallgäuer ist jedenfalls schon lange ruiniert. Sogar die Weihnachtsfeier haben sie beim letzten Mal abgesagt. Und abgestiegen in die A-Klasse sind sie auch. Klaus Wittmann