Starkes Beben, kurzes Aufräumen

Udo Reiter will kein totes Kind mehr schaukeln. Die Pläne des ARD-Vorsitzenden für eine ARD ohne SFB sind nach der Intendantentagung vorerst vom Tisch. Doch die Probleme bleiben  ■ Von Lutz Meier

Es hörte sich an wie ein Triumphzug: „Wir grüßen Berlin“, rief SFB-Intendant Günther von Lojewski auf der Rückfahrt von Baden-Baden ins Handy. Das teilte er sich mit dem ORB-Kollegen Hansjürgen Rosenbauer, mit dem zusammen er die Rückbank drückte. Der, nicht minder euphorisiert, sprach schon von Hochzeit: „ORB und SFB lassen sich eben in der Region nicht mehr auseinanderdividieren. Das Ziel muß Fusion bleiben.“

Dabei waren die beiden Herren keineswegs zur Salzkur oder zur Gesprächstherapie in die Stadt mit den belebenden Quellen gefahren, sondern zum handfesten Streit. Beim Intendantentreffen wollten die Chefs der 11 ARD-Anstalten nämlich nicht nur die neue Tagesthemen-Partnerin für Ulrich Wickert finden (siehe Portrait Seite 11), sondern auch ihrem Vorsitzenden, dem MDR-Intendanten Udo Reiter, die Leviten lesen.

Mit seinen laut und beständig herausposaunten Ideen für eine ARD-Reform, denen zufolge der SFB zugunsten einer gemeinsamen ARD-Zentrale weitgehend verschwinden sollte und auch der Potsdamer ORB obsolet scheint, hatte Reiter die Kollegen so gegen sich vereint, wie es sonst nur Bayerns Edmund Stoiber mit seinen Auflösungsforderungen schafft.

Wobei die betroffenen kleinen Sender (dazu zählen auch Radio Bremen und der Saarländische Rundfunk, die wie der SFB bislang zum Teil aus dem Gemeinschaftstopf der ARD leben) darüber jäh erschrocken waren, daß nun auch in den eigenen Reihen die Axt gegen sie geschwungen wird. Dagegen war es den Großen (WDR, NDR, BR), denen die teuren Kleinen zuweilen auch eine Last am Bein scheinen, eher nur um den Stil des ungeliebten Udo Reiter gegangen. Nach außen solle man doch wenigstens vereint auftreten.

Die Stimmung war entsprechend noch frostiger als das Wetter in Baden-Baden. Und Udo Reiters Pläne waren nach dem programmgemäß durchgeführten Zoff vom Tisch. Er wolle kein totes Kind mehr schaukeln, räumte der Leipziger Intendant kleinlaut ein, der nur um Haaresbreite einem förmlichen Tadel der vereinten ARD- Gremien entging. Angriff abgewehrt, freute man sich in Berlin und Brandenburg, wo Rosenbauer und Lojewski ob des gemeinsamen Gegners im Auf und Ab ihrer Partnerschaft mal wieder einen einstweiligen Honeymoon einlegten.

Doch die Probleme bleiben für die ARD. Was die Intendanten nun statt der Reiter-Ideen, die ohnehin stets immer etwas unpraktikabel klangen, auf den leergefegten Tisch legen will, ist nicht einmal in Konturen erkennbar. Zwar reden möglicherweise der NDR und Radio Bremen künftig etwas mehr als bisher über Kooperation. Zwar hat der Streit vielleicht in Berlin und Brandenburg deutlich gemacht, daß an einer Fusion von ORB und SFB mittelfristig kein Weg vorbeiführt.

Doch um zu erkennen, wie kalt der politische Wind ihnen mittlerweile entgegenweht, brauchten die Intendanten nur einen Blick in das Reich ihrer Gastgeber zu lenken. Dem neuen Südwestrundfunk, der zwischen Baden-Baden, Mainz und Stuttgart im nächsten Jahr aus SDR und SWF entstehen wird, hat bereits die Politik in weiten Teilen diktiert, was und wieviel er zu senden hat. Zahl und Ausrichtung der Programme wurden hier erstmals in der ARD-Geschichte ins Gesetz geschrieben – zur Freude der privaten Konkurrenz. „Das ist nicht ganz das ermunternde Signal, das wir uns als Anstoß für die Reform der ARD erhofft hatten“, so Reiter. Zu konzeptionellen Antworten auf diese Politik, die so manchem direkt aus dem Inventar des sächsischen ARD-Kritikers Kurt Biedenkopf zu entstammen schien, hat es in Baden-Baden nicht gereicht. Man hat sich höchstens geeinigt, ihr nicht mehr so deutlich entgegenzukommen, wie Reiter es tat.

Und der hat mit seinen Berlin- Plänen trotz der programmierten Niederlage auch etwas erreicht. Bei der Berliner Politik hat er heftig (und erfolgreich) antichambriert und sich als einer ins Gespräch gebracht, der nicht nur Macht in der ARD hat, sondern auch ein massives Interesse in der Hauptstadtregion.