Motivierendes Wechselspiel

■ Studierende mit Kind kommen mit ihrer Doppelrolle meist überraschend gut klar

Sie sind eine Minderheit. „Aber als Opfer betrachten wir uns nicht“, meint Eva Bennewitz, Referentin der Frauenbeauftragten an der Humboldt-Universität und Studierende mit Kind. Natürlich gebe es Probleme, alles unter einen Hut zu bringen. Nur die hätten andere Eltern auch. Deshalb ginge es bei der Sozialberatung meist nicht um das Verhältnis „Kind – Studium“ schlechthin. Da inzwischen ein Viertel der studierenden Eltern alleinerziehend und von denen mehr als 90 Prozent Frauen sind, werde in der Sozialberatung zum Beispiel oft über Mutter-Sohn-Beziehungen gesprochen.

Warum die studierenden Eltern mit ihrer Rolle offenbar so gut klarkommen, brachte ein Workshop im Sommer vergangenen Jahres ans Licht. „Mütter und Väter“, erläutert Eva Bennewitz, „gehen mit einer ganz anderen Verantwortung ans Studium. Sie engagieren sich nicht nur aus Spaß an der Freude.“ Kinder helfen über Motivationsklippen hinweg und, so Katrin Müller, ebenfalls Mutter und Studentin an der Humboldt-Uni, „Kinder eröffnen einem Horizonte, die man vorher nicht wahrgenommen hat.“ Daß genau dieses Wechselspiel so funktionieren kann, hängt wesentlich von der Möglichkeit ab, seine Kinder während des Studiums flexibel betreuen zu lassen.

Die „Humbolde“ sind ein Kinderladen, ein studentisches Kinderbetreuungsprojekt in Trägerschaft der Uni, das seit Mai 1995 studierenden Eltern ermöglicht, Veranstaltungsangebote oder auch Bibliotheken in den späten Nachmittags- und Abendstunden zu nutzen. In einer kleinen, liebevoll eingerichteten Baracke gegenüber des Unigeländes kann der Nachwuchs zwischen 15.30 und 20.30 Uhr betreut werden. Die Eltern steuern hundert Mark pro Semester bei, egal wie oft das Kind in den Kinderladen gebracht wird. Zwei Mark kostet die Verpflegung. „Zehn, zwölf Kinder werden derzeit pro Tag betreut“, weiß Eva Bennewitz. Das entspricht in etwa dem Bedarf. Daß Kinder selbstverständlich in den Uni-Alltag eingeplant werden, sei aber auch an ihrer Universtiät eher selten, meint Karin Müller. „Aber eine erfreuliche Ausnahme bildet da zum Beispiel die Mensa Nord, die schon seit langem Hochstühle für Kleinkinder aufgestellt hat.“

Wie viele Mütter und Väter an der Humboldt-Uni studieren, läßt sich nach Einschätzung von Eva Bennewitz schlecht sagen. Denn manche sind nicht auf die Unterstützung an der Uni angewiesen, haben Omas in der Stadt oder einen Lebenspartner, der sich kümmert. „Wenn alljährlich das vorweihnachtliche Konzert der Capella Academica für Kinder im Audimax der Uni stattfindet, kann man nur staunen, wie viele da auf einmal zusammenkommen“, meint Karin Müller.

Eine Sozialerhebung des StudentInnenwerks aus dem Jahre 1994 spricht von 8,9 Prozent studierender Eltern an den Westunis, im Osten waren es zu dem Zeitpunkt 12,4 Prozent. Laut Angaben des Bundesfamilienministeriums verbinden gegenwärtig 6 bis 7 Prozent aller Studierenden Kindererziehung und Studium miteinander.

Gesetze und Richtlinien, die dies grundsätzlich ermöglichen, gibt es zuhauf. Dennoch, schätzt Eva Bennewitz, hänge es „von Fall zu Fall vom Dozenten ab“, wie studierende Eltern mit der Mehrbelastung zurechtkämen. „Es wäre nicht schlecht“, so Bennewitz, „wenn zum Beispiel eine auf uns bezogene Flexibilisierung von Prüfungsterminen oder auch der Praktika Eingang in die Studienordnung fände.“ Kathi Seefeld

Infos bietet die Broschüre „Studieren mit Kind – eine „Mutmachbroschüre“. Sie gibt es kostenlos beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Broschürenstelle, Postfach 201551, 53145 Bonn.