Szenenapplaus, Sprechchöre: „Deri, Deri, Deri!“

■ In Israel feiern 15.000 Anhänger der Schas-Partei ihren angeklagten Parteichef

Jerusalem (taz) – Ethno-Pop und religiöses Erwachen, Rockband und Thora – für „Schas“, die drittgrößte Partei Israels, genau die richtige Mischung, um ihre Anhänger bei Laune zu halten. Und natürlich „Arie Deri Superstar“, wie Freund und Feind den Chef der ultraorthodox-sephardischen Partei titulieren. Das Sportstadion der Hebräischen Universität ist an diesem Mittwoch brechend voll. Obwohl die Sonne senkrecht am Himmel steht, sind sie mit Kind und Kegel angereist: bärtige Männer in schwarzen Anzügen, weißen Hemden, Krawatten, schwarzen Hüten oder schwarzen Gebetsmützen. Geschminkte Frauen und Mädchen tragen enganliegende bunte Kostüme, die bis weit übers Knie reichen, ebenso bunt die Mützen und um den Kopf gewundene Tücher. „Schas“-Ordner und Polizei sorgen am Tribüneneingang für Geschlechtertrennung. An schattigen Plätzen lagern auf Decken die kinderreichen Großfamilien. Mütter reichen den Kids Wasserflaschen und Matza, das ungesäuerte Pessach-Brot. Väter und Söhne sind stehend in der Bibel versunken, neigen ihre Oberkörper rhythmisch im Gebet.

Ein erster Höhepunkt: Benny Elbas, der zu „Schas“ übergetretene Popsänger, nähert sich, in ein schnurloses Mikrophon singend, dem Publikum. Szenenapplaus und Sprechchöre von den Rängen: „Wir sind alle Deri“ oder einfach nur „Deri, Deri, Deri“.

Der 38jährige Politstar muß sich wegen Erpressung, Vertrauensbruch und Behinderung der Justiz verantworten. Führung und Basis von „Schas“ sind wütend, daß es nur ihren Mann treffen wird. „Antireligiöse Einstellungen in Justiz und Polizei“ hatte Rabbi Owadia Josef, der geistige Mentor von „Schas“, ausgemacht. Die Liebe zur Thora korrespondiert auch im Stadion mit Wut auf Justiz und Medien: „Deri = Dreyfus“ steht auf Plakaten, „Arie, wir halten zu dir“ und „Schluß mit der Hexenjagd“. Als sich Rabbi Owadia Josef und Parteichef Deri auf den Stühlen des Podiums niederlassen und dem Publikum zuwinken, hält es von den 15.000 niemand mehr. Die Menge steht, klatscht, schreit, winkt zurück.

Deri spricht als letzter. 50 Männer hieven ihn von der Bühne herab, setzen ihn auf einen Plastikstuhl und tragen ihn in die Mitte des Stadions. Mit Nickelbrille, schwarzem Hut, dunklem Einwochenbart und der medienerprobten Grübchenstellung, die leichtes Lächeln erahnen läßt, ähnelt er ein wenig John Lennon. Er pflegt sein Image: macht keine Handzeichen, wartet, bis die Stimmen abklingen, und spricht leise ins Mikrophon. 15.000 Augenpaare sind auf ihn gerichtet. „Das ist religiöse und ethnische Verfolgung“, sagt er, „sie fürchten, daß die Schasniks dieses Land verändern. Wir werden uns in den nächsten Wahlen auf zwanzig Sitze verdoppeln.“ Jedes sie – gemeint ist das ashkensische Establishment – wird mit einem 15.000stimmigen Buh quittiert. Als erstes trifft es das Fahrzeug des israelischen Fernsehens. Es wird samt Insassen durchgeschüttelt und schwer verbeult. Max Boehnel