Die Bahn will die Anzahl ihrer Züge verdoppeln

■ Dürr will das Netz entflechten. Bis 99 sollen 2.000 Kilometer Gleis verschwinden

Berlin (taz) – Scheinbar können alle, die um Deutschlands dichtes Schienennetz bangen, erleichtert aufatmen. Diesen Eindruck jedenfalls vermittelte Bahn-Chef Heinz Dürr vor dem Verkehrsausschuß des Bundestages. 2.000 Kilometer Schienen sollen aus dem Verkehr gezogen werden – vor wenigen Wochen war noch von 12.000 Kilometer die Rede. Der Haken: Die jetzt genannten Kilometer werden bis 1999 sicher abgespeckt. Welche Verschlankungskuren danach folgen, ließ Dürr offen. Entsprechend malt Albert Schmidt, bündnisgrüner Verkehrsexperte im Parlament, ein düstereres Bild: „Nach der ersten Stillegungswelle werden mit Sicherheit noch weitere 5.000 Kilometer dran glauben müssen.“ Bahn-Chef Dürr stellt aber auch 750 Kilometer neue Trassen bis 2006 in Aussicht.

In einem Aufwasch wartete Dürr auch mit dem Konzept „Netz 21“ auf: Bis zum Jahre 2020 soll die Summe aller Kilometer, die auf Schienen abgerollt werden, von derzeit 850 Millionen auf 2 Milliarden steigen. Es werden also mehr als doppelt so viele Züge fahren.

Bislang geht es im Eisenbahnverkehr drunter und drüber: Die flotten IC- und ICE-Züge teilen sich ihre Wege mit dem langsamen Güterverkehr und den gemütlichen Regionalbahnen. Das soll sich bis zum Jahr 2020 ändern. Das Konzept, das Dürr als unternehmerisches Vermächtnis hinterläßt, sieht wenigstens für 10.000 Schienenkilometer eine Entflechtung vor. Von Hannover bis Würzburg, von Hamburg nach Duisburg und von Hannover nach Berlin sollen die schnellen Personenzüge schon ab 1998 ungehindert brausen können – das spart Zeit und vermindert Verspätungen. Mehr als die Hälfte des derzeit betriebenen Bahntrassen sollen im neuen Jahrtausend ausschließlich vom Regionalverkehr befahren werden.

Auf den restlichen 10.000 Kilometer sollen sich auch in fernerer Zukunft noch die verschiedensten Schienenfahrzeuge tummeln – für sie wird es dann Tempolimits geben. Durch die parallele Führung verschiedener Züge kann die Bahn, so Sprecher Reiner Lautsch, die Betriebs- und Wartungskosten um bis zu 40 Prozent senken.

„Die Wege der Züge nach ihren Betriebsgeschwindigkeiten aufzudröseln, hält auch Albert Schmidt für sinnvoll. „Doch bislang sind die Planungen noch ziemlich unausgegoren und halbherzig.“ Eines der größten Neubauprojekte der Bahn, die ICE-Verbindung von Nürnberg nach Erfurt, sei immer noch so angelegt, daß dort sowohl die Flitzer des Personenverkehrs als auch träge Güterzüge fahren können. Dabei existieren bereits genug Parallelstrecken, auf die die verschieden schnellen Züge verteilt werden könnten. her