Tod und Leben

Über den Tod oder über Staus vorn Elbtunnel oder über Hamburger Kultur- und Bildungspolitik, also über unangenehme Sachen, soll man eigentlich nicht sprechen, weil: Kann man ja doch nix gegen machen! Ja, und diese Angst vor de erwähnte Tabus habn nu ganz gewiefte Geschäftemacher total ausgenutzt. Ich mein de beidn Scheffs vonne alternative Bestattungsfirma „Ab dafür!“Zuerst habn sie das ja mit ein' Sarg-Diskaunt versucht: Särge in vier Standardgrößen von 20 bis 50 Mark (gegen die normale Sargpreise von 800 bis 4000 Mark!). Und das Material aus gepreßten Altpapier sollte 100%ig rizeikelbar sein. Aber das mit den Rizeikeln ist wohl doch bischen zu fix gegang', denn bei ein' Nieselregen, wie er bei uns in Hamburg 364mal in' Jahr vorkommt, ist de Träger der Sarg sozusagen zwischen de Finger durchgerutscht, und dabei ist rausgekomm', daß de Leiche auch bloß 'n Hemd aus Papier anhatte statts de bezahlte Ware aus strapazierfähigen und pflegeleichten Mischgewebe! Das mitte Billigsärge war also, gelinde gesagt, 'n Schuß in' Ofen. Ihr nächster Einfall war denn, daß se mindestens 10 Krankenschwestern bestochen habn, die auffe Intensivstation Dienst machten, daß se de Pazienten de Geschäftskarte von „Ab dafür!“inne gefaltete Hände gesteckt habn. Und wenn denn de Verwandten kamen, um den Verstorbenen noch mal zu sehen, warn se natürlich stark beeindruckt, weil se gedacht habn, diese Bestattungsfirma wär der letzte Wunsch von den Verblichenen gewesen. Rausgekomm' ist alles, als ein Intensiev-Pazient sich denn doch wieder erholt hat, und der konnte mitte Karte nu überhaupt nix anfang'. Das war seinerzeit 'n großer Skandal, und de Illus und Talkschos warn voll davon. Und heute war da wieder was in diese Art inne Blätter. Hat mein Stammkunde, Herr Studienrat Arnold, mich auf hingewiesen: „Die Menschen haben aber auch vor nichts mehr Respekt, wenn es um den Profit geht!“hat er gesagt. Was passiert war? Da habn über 30 Hamburger private ambulante Pflegedienste für Pazienten weiterkassiert, die schon länger als'n halbes Jahr tot warn. Die Junglürikerin Frau Nele Hütlein kam da grade überzu, als wir an' Diskutiern warn. Sie hat sich auch eingemischt, weil sie auf den betreffenden Gebiet Erfahrung' hat, denn sie hat mal fünf Monate bei so ein' ambulanten Dienst gejobbt, als Pflegehilfe. So heißt das, wenn man auf den Gebiet überhaupt keine Ausbildung hat. „Das ist gar nicht so leicht festzustellen, ob der Patient noch lebt“, meinte Frau Hütlein, „wenn er ruhig daliegt, könnte das auch an der Wirkung der Beruhigungsspritze liegen, die ihm am Abend vorher gesetzt worden ist. Und viel essen oder reden oder bewegen tun sich die Alten auch nicht, weil sie das Pflegepersonal unterstützen wollen. Denn das Füttern, Waschen und Trockenlegen muß immer ganz schnell gehen, da bleibt kaum Zeit hinzusehen, ob es noch irgendwelche Lebenszeichen gibt...“