Unplugged nur im Krankenhaus

■ Die Leadguitaristin Ellen McIlwaine ist zum ersten Mal in Europa: am Wochenende bei „Women in (E)Motion“

Gibt es noch ein zweites Instrument, das so macho ist wie die E-Gitarre? Ellen McIlwaine hat sich als Bluesrock-Gitarristin wohl am weitesten von allen Künstlerinnen des Festivals in die von Männern dominierte Musikwelt vorgekämpft, und obwohl sie von Kennern auf der gleichen Ebene angesiedelt wird wie Eric Clapton oder Rory Gallagher, hatte sie in ihrer nunmehr 32 Jahre langen Karriere nie den großen Durchbruch. So tritt sie erst jetzt zum ersten Mal nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa auf.

taz: Was denken Sie darüber, hier in einer Konzertreihe mit lauter Musikerinnen aufzutreten?

Ellen McIlwaine: Das ist für mich sehr ungewöhnlich und aufregend, denn sonst bin ich fast immer die einzige Frau weit und breit auf der Bühne. In den 70er Jahren gab es zwar in den USA ein paar Festivals für Frauen, bei denen ich aufgetreten bin, aber dabei ging es ganz strikt zu: Es waren überhaupt keine Männer in den Bands und nicht einmal unter den Zuschauerinnen erlaubt. Da bleibe ich dann schon lieber in der Minorität.

Glauben Sie, daß diese Ausnahmesituation der Grund dafür ist, daß Sie nie so erfolgreich wurden wie viele Ihrer Kollegen?

Jederman glaubt, daß Talent sich schließlich durchsetzt, aber das stimmt nicht. Es ist viel wichtiger, wen man kennt und wie gut man seine Zunge unter Kontrolle hat. Und ich bin nunmal sehr direkt. Aber wenn es eine ganze Reihe von berühmten Gitarristinnen geben würde, müßte ich vielleicht darüber nachdenken, ob ich etwas falsch mache. Aber es gibt viele gute weibliche Instrumentalisten und keine von denen hat es wirklich nach ganz oben geschafft. Ein Freund von mir ist Krankenpfleger, und er hat große Schwierigkeiten damit, daß er „a male nurse“ist. Und das klingt in Amerika nunmal genauso merkwürdig wie „a female guitarist“.

Wie kommt eine Frau, die wie Sie in Japan in der Familie eines Missionars aufgewachsen ist dazu, Rockgitarre zu spielen?

Immerhin wurde ich in Nashville geboren. Und ich bin ein Adoptivkind. Ich weiß bis heute nicht genau, wer meine wirklichen Eltern sind, aber meine Mutter kommt aus Memphis. Es muß also irgendwie im Blut liegen. Aber auch in Japan habe ich schon dauernd Ray Charles und Professor Longhair im Radio gehört, und als ich mit 17 Jahren dann nach Atlanta gezogen bin, ging ich auf das Art-College und war bald mittendrin in der rockorientierten Bluesszene.

Als Sie dann nach New York umzogen, nahm Sie eine zeitlang Jimi Hendrix unter seine Fittiche. Was haben Sie von ihm gelernt?

Wir waren mehr Freunde als Lehrer und Schülerin. Das war bevor Jimi in England berühmt wurde. Er war gerade von den Isley-Brothers gefeuert worden, weil er immer mit Rückkopplungen spielte. Alle Rhythm & Blues Musiker haßten ihn deswegen, und weil ich für viele Gruppen im Vorprogramm spielte, fragte er, ob er nicht bei mir mitspielen könne. Ich wollte sogar mit ihm eine Band gründen, aber mein damaliger Manager sagte nur: „Den kenn ich, der ist nichts für dich, der ist doch schwarz!“Und als ich ihm dann sagte, daß er wohl nicht der richtige Manager für mich sei, meinte er noch, ich hätte Allüren. Gelernt habe ich von Jimi Hendrix etwas, was sich dann als mein Markenzeichen entwickelt hat: Wie er singe ich die Läufe der Lead-Guitar mit und spiel gleichzeitig die Basslinien.

Hat sich im Laufe der Jahre Ihr Stil auffällig geändert?

Ich hoffe doch, daß ich besser geworden bin. Die ersten 13 Jahre lang bin ich meist solo aufgetreten, jetzt spielte ich fast ausschließlich im Trio mit Bass und Schlagzeug. Und während ich früher immer zwischen der elektrischen und der über den Verstärker gespielten akustischen Gitarre gespielt habe, konzentriere ich micht jetzt ganz auf die E-Gitarre.

Das läuft ja ein wenig gegen den Trend anderer Musiker wie etwa Eric Clapton, die jetzt immer häufiger „unplugged“spielen.

Ich kann auf der E-Gitarre einfach viel variantenreicher und kraftvoller spielen. Mich wird man nur „unplugged“erleben, wenn ich sehr alt und krank im Hospital liege, und der Stecker aus der Lebenserhaltungsmaschine gezogen wird.

Fragen: Wilfried Hippen

Ellen McIlwaine spielt in Doppelkonzerten mit der Sängerin Gwen Swick heute abend im Moments und Sonntagabend im KITO