: Der Atomkonsens rückt in weite Ferne
■ Die Hinweise häufen sich, daß mit der Verschiebung der Konsensgespräche eine Einigung zwischen SPD und der Bundesregierung endgültig gescheitert ist
Hannover (taz) – Kaum Chancen auf eine Wiederaufnahme haben die Atommüllgespräche zwischen SPD und Bundesregierung, die am vergangenen Dienstag offiziel auf unbestimmte Zeit vertagt wurden. Eigentlich sollten sie gestern zum Abschluß kommen. SPD-Politiker aus Nordrhein- Westfalen wollen aber inzwischen das neue Konzept für die Zwischenlagerung von Atommüll nicht mehr akzeptieren, das in der letzten sogenannten Konsensrunde von Gerhard Schröder, SPD-Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering und den Bundesministern Friedrich Bohl, Angela Merkel und Günther Rexrodt vereinbart worden war. Stein des Anstoßes sind dabei die Transporte von abgebrannten Brennelementen aus süddeutschen Atommeilern in das Zwischenlager Ahaus, die dieses Konzept vorsieht.
„Einen sogenannten Entsorgungskonsens, der zu Lasten von Nordrhein-Westfaken geht, wird es nicht geben“, erklärte gestern der umweltpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Müller, gegenüber der taz und sah sich dabei in Übereinstimmung mit dem NRW-Ministerpräsidenten Johannes Rau und SPD-Bundesgeschäftsführer Müntefering. Dem Vernehmen nach hat Franz Münterfering inzwischen ein eigenes dreiseitiges Entsorgungspapier ausgearbeitet, das er auf der letzten SPD-Präsidiumssitzung vorlegte. Das Papier will die abgebrannten Brennelemente in den kommenden Jahren an den Kraftwerksstandorten zwischengelagert sehen. Nach Auffasung von Müntefering soll das gegenwärtige Konzept der externen Zwischenlagerung in Ahaus und Gorleben zu einem dezentralen Zwischenlagerkonzept fortentwickelt werden. In der letzten Konsenrunde, auf die Gerhard Schröder seine Hoffnung auf einen baldigen Abschluß der Gespräche stützte, hatten die Energieversorgungsunternehmen aber nur zugesagt, in sechs bis zehn Jahren weitere Zwischenlagerkapazitäten in Süddeutschland zu errichten. Bis dahin sollten die Brennelementtransporte, statt wie bisher nach Gorleben, ins Zwischenlager Ahaus gebracht werden. Das will die SPD nicht mehr.
Am vergangenen Dienstag bei der Konsensrunde auf Beamtenebene, auf der die Vertagung der Politikergespräche empfohlen wurde, konnte schon keine Einigung über die geplanten Änderungen des Atomgesetzes erzielt werden. Die Vertreter des Bundesumweltministeriums beharrten weiter auf der Einführung eines standortunabhängigen Genehmigungsverfahrens für neue Reaktortypen, für das der Bund selbst zuständig ist. Bisher können das nur die Länder. Jürgen Voges
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