Der Traum vom besseren Leben

■ Im bitterarmen Kambodscha verkaufen sich viele Frauen und Kinder an Menschenhändler. Sie werden wie Sklaven gehalten

Seitdem ihr Bild in der Zeitung erschienen ist, kann Kien Serey Phal nicht mehr in die Bordelle von Phnom Penh gehen: „Die Zuhälter erkennen mich wieder. Ich werde bedroht, weil ich ihre Geschäfte störe“, sagt sie. Statt dessen schickt die Leiterin der „Cambodian Women's Development Association“ jetzt ihre MitarbeiterInnen los, um Kindern und Frauen zu helfen, die in die Prostitution verkauft wurden. In Stundenhotels und heruntergekommenen Schuppen am Straßenrand bieten Zuhälter ganz offen kleine Mädchen an. Außerhalb von Phnom Penh gibt es ein „spezialisiertes“ Dorf, in dem sich Bordell an Bordell mit Kinderprostituierten reiht.

Im bitterarmen Kambodscha sind in den letzten Jahren Tausende Kinder und Frauen verkauft worden. Einige werden – wie das Mädchen Ron – von den Eltern direkt ins Bordell gebracht. Für Ron zahlte der Besitzer der Mutter 500 Mark. Diesen Preis muß sie „abarbeiten“. Die meisten jedoch fallen Menschenhändlern zum Opfer: So folgte das Bauernmädchen Srey einem Fremden, der in ihr Dorf kam und ihr eine gute Arbeit im Restaurant versprach. Er verschacherte er sie für 340 Mark an einen Puff. Immer mehr Kinder und Frauen werden ins Ausland geschafft – die meisten zum reicheren Nachbarn Thailand. „Wir wissen aber auch von Kambodschanerinnen, die nach Japan oder Europa gebracht werden“, berichtet Serey Phal.

Menschenhandel: Ein Geschäft fast ohne Risiko

„Neben dem Drogenhandel ist der Menschenhandel heute das einträglichste Geschäft der internationalen Verbrecherbanden“, sagt der kambodschanische Interpol- Beamte Kim Channee. Ein Geschäft fast ohne Risiko: Ein paar hundert Dollar Schmiergeld garantieren, daß die Täter straffrei bleiben. Zudem sind Polizisten und Grenzbeamte nicht selten selbst an Bordellen beteiligt.

Fast alle Frauen und Kinder, die MitarbeiterInnen der Frauenorganisation kürzlich in Bordellen an der der thailändisch-kambodschanischen Grenze befragten, waren freiwillig mit den „Arbeitsvermittlern“ gegangen, um der Armut zu entfliehen. Manche wußten auch, daß sie als Prostituierte arbeiten würden. Doch ihre Hoffnung, Geld für sich und ihre Familien verdienen zu können, wurden bitter enttäuscht: Wie die Mädchen Ron und Srey landeten sie in Schuldknechtschaft. Sie können den Bordellbesitzer oder die „Mamasan“ nicht verlassen, bevor sie deren „Investition“ zurückgezahlt haben. Andere werden wieder weiterverkauft und bei Widerstand brutal mißhandelt.

Nicht alle „verkauften“ Kinder und Frauen enden in der Prostitution: In Thailand landen sie auch in Fabriken und auf dem Bau. Sie arbeiten, ihren Arbeitgebern schutzlos ausgeliefert, als „Haussklaven“, oder sie betteln an den Straßen und Brücken von Bangkok – bis sie aufgegriffen und wegen „illegaler Einwanderung“ ins zentrale Abschiebelager an der Suan- Phlu-Straße geworfen werden, wo sie auf den Rücktransport warten. In den völlig überfüllten und stinkenden Räumen stirbt ihr Traum von einem besseren Leben.

„Manche von ihnen werden dann einfach an der Grenze aus dem Bus geladen. Man sagt ihnen, sie sollen nach Hause gehen. Aber sie wissen nicht, wie sie nach Hause kommen können“, sagt Khemporn Wiroonrapan von der „Stiftung für die Entwicklung des Kindes“. Folge: „Sie geraten wieder an die Menschenhändler, die sie zum zweiten Mal nach Thailand bringen.“ Jutta Lietsch, Phnom Penh