Kaum Lacher bei Debatte zur Steuerreform

■ Joschka Fischer im Bundestag: Theo Waigel weiß doch, daß die Steuerreform der CDU/CSU nicht finanzierbar ist. Bei der Mehrwertsteuer wird rumgeeiert

Bonn (taz) – Der Beifall aus den jeweils eigenen Reihen wollte nach den Reden von Finanzminister Theo Waigel (CSU) und SPD- Fraktionschef Rudolf Scharping im Bundestag gar nicht enden – fast erwartete man, die Politiker für eine Zugabe erneut ans Rednerpult treten zu sehen. Dabei hatte keiner der beiden zur geplanten Steuerreform etwas inhaltlich Neues gesagt.

Die Aussprache lief nur schleppend an, obwohl Beobachter nach dem Scheitern der Steuergespräche zwischen Regierung und SPD eigentlich eine Grundsatzdebatte erwartet hatten. Aber es blieb bei Schuldzuweisungen. Theo Waigel warf den Sozialdemokraten vor, sie wollten „die ideologische, populistische Auseinandersetzung gegen das Gemeinwohl in Deutschland“. Rudolf Scharping konterte: „Sie haben Unterwerfung erwartet, nicht Kooperation.“

Bundeskanzler Helmut Kohl war zu der Debatte gar nicht erst erschienen. Auch der SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine blieb fern. Die beiden großen Parteien schickten erst einmal Vertreter der zweiten Reihe vor, die Bekanntes wiederholten. Joachim Poß von der SPD verwies auf ein Finanzierungsloch von 57 Milliarden Mark und beschuldigte die Regierung, „die Wähler vor der Wahl mit Steuersenkungen zu täuschen um hinterher die Steuern zu erhöhen“.

Friedrich Merz von der CDU hielt dagegen, für internationale Investoren sei „dies keine besonders attraktive Woche in Bonn“ gewesen: „Deutschland hat in dieser schwierigen Zeit mehr verdient als nur eine kleinkarierte Auseinandersetzung darüber, ob die Stelle hinter dem Komma stimmt.“

Es sei nicht die Opposition, die dieses Land regiere, stellte der Fraktionssprecher der Grünen, Joschka Fischer, fest. „Sind Sie sich darüber im klaren, daß Sie dabei sind, eine tiefgreifende Vertrauenskrise in die Funktionsfähigkeit des demokratischen Systems auszulösen?“ fragte er mit Blick auf die Regierungsbänke, und dann plauderte er aus dem Nähkästchen: In der Union werde hinter vorgehaltener Hand erzählt, „dem Theo“ sei es ganz recht, wenn die Reform scheitere. Er wisse selbst, daß seine Vorschläge nicht finanzierbar seien. Fischer forderte eine klare Aussage darüber, ob die Regierung eine Erhöhung der Mehrwertsteuer und der Mineralölsteuer plane.

Das interessierte auch SPD- Fraktionschef Rudolf Scharping. Er zitierte aus dem Entwurf des geplanten Steuergesetzes. Danach soll das Haushaltsloch „teilweise durch Umschichtung des Steuerrechts“ gegenfinanziert werden. Scharping: „Sagen Sie doch ehrlich, Sie wollen die Mehrwertsteuer erhöhen!“

Unions-Fraktionschef Wolfgang Schäuble betonte: „Ohne Steuerentlastung kann die Steuerreform keinen Beitrag zum Abbau der Arbeitslosigkeit leisten.“ Zu Steuererhöhungen mochte er sich ebensowenig äußern wie Scharping zur Frage, wie die SPD die Arbeitslosigkeit bekämpfen will. Einmal immerhin wurde im Bundestag allseits herzlich gelacht – als FDP-Fraktionschef Hermann Otto Solms sagte, das Scheitern der Steuergespräche habe ihn „enttäuscht“. Denn wenigstens über die Tatsache, daß die kleine FDP vor einer Einigung der Großen Angst hatte, herrscht in Bonn Einigkeit. Bettina Gaus