Mit 400 km/h an die Wand

■ Bonn entschwebt der Realität per Transrapid

„In Deutschland gibt es keine Transrapid-Strecke, die sich jemals rechnen wird.“ Das ist kein Zitat aus der Greenpeace-Verkehrsabteilung oder von den Grünen. Es ist die Einschätzung des von der Bundesregierung bestellten amtlichen Gutachters Professor Werner Rothengatter, Verkehrswissenschaftler zu Karlsruhe. Und jeder weiß, daß er recht hat. Auch Bundesverkehrsminister Wissmann, die Thyssen- Manager und die Deutsche Bahn AG.

Legt man ernsthafte wirtschaftliche und verkehrspolitische Maßstäbe an, würde der Transrapid schleunigst ins Jenseits entschweben. Endstation: Technikmuseum. Doch ungeachtet des drohenden Fiaskos setzt Bonn weiter auf die glitzernde Wunschmaschine. Kein anderes Stück Technik seit dem schnellen Brüter von Kalkar hat die Politiker so heftig um den Restverstand gebracht wie der silberne Zauberzug.

Und natürlich geht es auch ums Rechthaben, um den Gesichtsverlust und um die größte aller deutschen Tugenden: die Stalingrad-Mentalität – durchhalten bis zum bitteren Ende. Bis die Kostenexplosionen den Transrapid-Fans um die Ohren pfeifen. Nur mal eine Zahl: Auf einigen Streckenabschnitten in Berlin soll die Trassierung laut Bundesrechnungshof 40mal teurer werden als geplant. Aber jetzt alles hinschmeißen, das hieße ja, daß die anderen von Anfang an recht gehabt haben: die grünen Latzhosenbrigaden, die Ökoschreihälse und das ganze Protestlergesumse. Dann doch lieber die Augen zu und durch, mit Tempo 400 gegen die Wand.

Das Überraschende am gestrigen Durchhaltebeschluß ist die neue Rolle der Bahn. Kaum ist der Transrapid- Gegner Dürr an der Spitze des Unternehmens abgelöst und durch den Kohl- Intimus Ludewig ersetzt, läßt sich die Bahn AG in die erste Reihe des Pleiteprojekts schieben. Die drei großen Baukonzerne im Konsortium haben gerade noch rechtzeitig die Flucht ergriffen. Der Kanzler persönlich dürfte Ludewig ins Gebet genommen haben.

Wird nun also der Zug, „den niemand will und keiner braucht“ (FAZ), tatsächlich gebaut? Natürlich nicht! Weil der Geldbeutel die Bonner Traumtänzer irgendwann doch noch zur Notbremsung zwingen wird. Nur: Wenn die ersten Milliarden in den märkischen Sand gesetzt sind, wird der Ausstieg sehr viel teurer. Manfred Kriener