CDU wirbelt Staub auf

Parteitags-Chaos im Rohbau: CDU-Wahlliste mit 14 Gegenkandidaturen torpediert  ■ Von Silke Mertins

Noch bevor der CDU-Parteitag am Sonnabend überhaupt losging, kochte der Saal. Bei jedem Schritt im Gedränge der viel zu kleinen Rohbau-Räumlichkeiten des Hanseatic Trade Centers an der Kehrwiederspitze wirbelte Zement-Staub auf, der seine Spuren auf dunklen Herrenanzügen und frisch polierten Damen-Pumps hinterließ.

Zwischen unverputzten Wänden und offenen Kabelschächten brüllten aufgebrachte CDUler „Zumutung!“und „Verlegung!“Man habe „auf einer Baustelle tagen wollen, die ein Stück Zukunft verkörpert“, beschwichtigte Landesparteichef Dirk Fischer das Parteivolk.

Und dies war nur der erste, noch dazu kleine Aufstand der rund 220 CDU-Delegierten. Was sich in der folgenden 10stündigen Kandidatenkür für die Bürgerschaft abspielte, gab's bei der CDU noch nie: Mit 14 Kampfkandidaturen wurde die Vorschlagsliste für die Bürgerschaft torpediert.

Früher hatte der „Magdalenenkreis“die Liste ausgekungelt und in Fünferblöcken abstimmen lassen. Doch diese undemokratische Methode wurde vom Verfassungsgericht gekippt und führte 1993 zu Neuwahlen; die CDU rutschte auf 25,1 Prozent ab.

Warnungen an den nun bestimmenden „17-Ausschuß“hatte es im Vorfeld des Parteitags genug gegeben. Die Vorschlagsliste sei unausgewogen, profilierte Bürgerschaftler nicht mehr aufgestellt worden und obendrein die Ein-Drittel-Frauenquote nicht erfüllt, wurde intern kritisiert.

Während die Spitzenplätze noch „DDR-Ergebnisse“erzielten (Ole von Beust 207 von 217 Stimmen, Roland Sarchow 198, Antje Blumenthal 190), kippte die Liste überraschend schon auf Platz 22. Das erste Opfer hieß Ralf-Dieter Fischer (48), ein altgedienter CDU-Abgeordneter und Vorsitzender des Rechtsausschusses. Er geriet in die Schlagzeilen, weil er seine politischen Kontakte zum Justizsenator für einen Mandanten nutzen wollte.

Der wütende Fischer versuchte es wieder und wieder – der in Harburg beheimatete Bundesverteidigungsminister Volker Rühe verdrehte die Augen, von Beust griff zu Schokolade – bis Fischer sich nach fünf Anläufen geschlagen gab. „Das war kein Zufall, sondern von der Spitze gesteuert“, so der abgewatschte Rechtsanwalt. Er habe die Kandidatenliste kritisiert.

Erleichtert konnten hingegen die Abgeordneten Ulrich Karpen (58), der den Parlamentarischen Untersuchungsausschuß (PUA) Polizei leitete, und Verwaltungsjurist Heino Vahldieck (42), der die Reform der Senatoren-Pensionen ins Rollen brachte, nach Hause gehen. Sie waren vom 17-Ausschuß nicht berücksichtigt worden und setzten sich in Kampfkandidaturen durch.

Insgesamt verliefen vier der 14 Angriffe auf die Vorschlagsliste erfolgreich. Die Frauen, die zwischen Platz 31 und 49 gänzlich unberücksichtigt blieben, versuchten ebenfalls mehrfach ihr Glück mit Gegenkandidaturen. Ohne Erfolg. Selbst auf den zwingend vorgeschriebenen 10 der ersten 30 Plätze erhielten die CDUlerinnen im Schnitt weniger Stimmen als vergleichbare männliche Kandidaten.

Man habe das Frauen-Quorum „nicht auf Krampf“erfüllen wollen, so Parteichef Dirk Fischer. Sonst hätte es ein noch muntereres „Scheibenschießen“gegeben.