Nie mehr an den Herd zurück

■ Gibt es ein Leben zwischen Hausfrau und Karrierefrau? Eine Studie der Universität Bremen

Frauen: aufatmen! „Die häufig geäußerte Befürchtung, in der Arbeitsmarktkrise würden die Frauen ,zurück an den Herd geschickt', ist gegenstandslos.“Zumindest die jüngere Frauengeneration akzeptiere nicht mehr „die Lebensform der dauerhaft abhängigen Hausfrau“. Zu solcherart paschabeunruhigenden Ergebnissen kommt eine Bremer Untersuchung namens „Lebensplanung junger Frauen“, durchgeführt von Birgit Geissler und Mechtild Oechsle im Uni-Sonderforschungsbereich „Statuspassagen und Risikolagen im Lebensverlauf“. Nach ihrer Studie sind out: das Heimchen am Herd, aber auch die männerorientierte Nur-Beruf-Biografie der Frau. In dagegen: modernere Mischformen der Lebensplanung bis hin zu einer risikofreudigen Nicht-Planung, die im Mittelpunkt die Entwicklung des eigenen Selbst hat.

Nach eigenem Bekunden waren die Soziologinnen überrascht von der „Vielfalt neuer Lebensläufe“, die sie bei jungen, kinderlosen, westdeutschen Frauen im Alter zwischen 20 und 30 fanden. Neben „Heimchen“und reiner Karrierefrau gibt es Frauen mit „doppelter Lebensplanung“, die viel vom Leben erwarten: Geschlechtergleichheit nebst Kinderkriegen, Selbstverwirklichung im Beruf nebst erfreulicher Partnerschaft, dazu materielle Unabhängigkeit. Familiengründung geschieht organisiert, nicht zufällig.

Die „traditionell familienzentrierte Lebensplanung“(wiss. f. Heimchen am Herd) gibt es noch, besonders in der Unterschicht. Doch sie beruht auf der „Versorgerehe“, die gesellschaftlich eindeutig out ist. Dauernd müssen sich Nur-Hausfrauen gegen das neue gesellschaftliche Leitbild von der doppelten Lebensführung behaupten. Doch es gibt eine modische Form des Heimchens am Herd; solche Frauen orientieren sich an der sog. modernisiert familienzentrierten Lebensplanung, will sagen: Der Beruf ist auch wichtig. Allerdings nur vor der Familienzeit und nachher, wenn die Kinder aus dem Gröbsten heraus sind. Diesen Frauen reicht es, daß heutzutage Gleichheit von Mann und Frau zur Norm geworden ist und daß Partnerschaft als Lebensstil bevorzugt wird. Familie und Beruf gleichzeitig gelten ihnen als unvereinbar. Und wenn man denn Mutter ist, leidet man nicht etwa unter Minderwertigkeitsgefühlen, sondern hält Kindererziehung für eine anspruchsvolle Aufgaben.

Das wohl heikelste Biografie-Modell ist die sog. individuelle Lebensplanung, die vor allem eins nicht will: auf irgendwas verzichten. Heimchen und Karrierefrauen leben, so die Individuellen, „reduziert“, im Mangel. Die Doppelrolle bietet ihnen zu wenig Entfaltungsmöglichkeit. Diese Frauen arbeiten mit wenig Orientierungsmöglichkeit, ohne Vorbilder, entwickeln im Grunde gar kein eigenes Modell, sondern reflektieren ihre biografischen Entscheidungen immer aufs neue. Ihnen schweben vage Ideen vor: geteilte Elternschaft; flexible Arbeitsteilung; ein „alternatives“Familienleben. Die ernstzunehmenden Ansprüche der Kinder müssen mit den eigenen Ansprüchen auf Selbstverwirklichung abgeglichen werden.

Die Übergänge in den Beruf, so die Autorinnen der Studie, werden immer schwieriger, „zunehmend länger, riskanter und weniger kalkulierbar“. Das hängt mit neuen Geschlechterverhältnissen ebenso zusammen wie mit neuen Arbeitsmarktsituationen. Die Soziologinnen meinen, bei den jungen Frauen besonders viel Flexibilität und „Planungsoffenheit“gefunden zu haben. Sie seien die wahren „Vorreiterinnen der Modernisierung“.

In einem kleinen Kapitel „Schlußfolgerungen für die Beratungs- und Bildungsarbeit mit jungen Frauen“legen sich die Autorinnen auch mit traditionell-feministischer Bildungs- und Beratungsarbeit an: unthematisiert bleibe oft, daß „es auch in Zukunft im Leben von Frauen Hausarbeit und Familienaufgaben geben wird, daß Mutterschaft eine Statuspassage mit besonderen Planungsanforderungen ist“. Es nütze den jungen Frauen nichts, wenn man ihnen immer nur – „eine verbreitete Tendenz“– von Unterdrückung und Gewalt erzähle, von Einschränkung und Diskriminierung. „Der gängige Diskurs zum Geschlechterverhältnis ist für sie nicht attraktiv.“Er reflektiere nicht das latente Bedürfnis junger Frauen „nach Anerkennung und Vertrautheit mit dem anderen Geschlecht“. Wie sprach Frau G. (in der Umschulung zur Floristin) im Interview: „Ja, das Schönste wäre für mich das Brautsträuße-Machen, und wenn vielleicht 'n junger Mann kommt und sagt: Ja, den Strauß. Was nehm'ich denn z.B. jetzt, um 'nen Antrag zu machen? Das kann ich mir gut vorstellen, was ich da so mach' und daß er da wirklich was mit erreicht.“ BuS