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: Der Medienpudding

So fing alles an: 1835 gründet der Gütersloher Drucker Carl Bertelsmann einen Verlag für religiöse Literatur. 1850 schickt der Kasseler Paul Julius Reuter Brieftauben zwischen Aachen und Brüssel hin und her. Im gleichen Jahr macht sich George Hearst nach Kalifornien auf, entdeckt eine Goldmine und kauft sich 1880 den San Francisco Examiner. 1882 beginnen drei junge Wirtschaftsreporter nahe der Wall Street, handgeschriebene Börsennachrichten zu verschicken. 1923 gründet in einem Hinterzimmer in Hollywood der 21jährige Walter Disney mit seinem Bruder ein Zeichentrickstudio. 1946 machen der Reisweinerbe Akio Morita und ein Kompagnon die Tokioter Telekommunikationsgesellschaft (später „Sony“) auf. Und 1955 kauft der Weinbauernsohn Leo Kirch in Barcelona seinen ersten Film.

Die mächtigsten Konzerne in der vielleicht mächtigsten Branche der Welt haben alle irgendeine Selfmadegeschichte in petto. Einen Gründungsmythos zwischen Tellerwäscher und Citizen Kane, der sie haften läßt in jenen Zeiten, als Entertainment und Information noch Zugabe waren zu den Eisengerüsten und Stahlschrauben. Als man noch nicht ahnte, daß sich diese Industrie einmal anschickt, selbst die Gerüste und die Bolzen der Gesellschaft zu liefern. Lutz Hachmeister und Günter Rager haben nahezu Unmögliches versucht: das Puddinghafte festzunageln, das nicht nur die Produkte der Medienkonzerne, sondern auch das Profil der Branche selbst ausmacht. Sie liefern Geschichten, Daten und Einschätzungen der fünfzig größten Medienkonzerne der Welt. Doch der Pudding haftet nicht: Da stimmen schon bei Erscheinen haufenweise Daten nicht mehr, die man bei der Drucklegung noch guten Gewissens annahm. Aber das macht nichts: Daß es dieses Kompendium überhaupt gibt, ist großartig. Es sollte eine Dauereinrichtung werden, jährlich neu, wie Fischers Weltalmanach. Vielleicht nächstes Mal mit Register und umfangreicherem Datensatz. Doch wollte man das leisten, man müßte womöglich selbst einen kleinen Medienkonzern gründen.Lutz Meier

Lutz Hachmeister/Günther Rager (Hg.): „Wer beherrscht die Medien?“ C.H. Beck, 38 DM