Wie gedrucktes tm3

■ Das Anzeigenblatt für die Frau: "sunny" will eine Wochenzeitung sein

„Rührei – so wird es schön locker“, „Orangenhaut durch Minirock“ und die Durchschnittslänge US-amerikanischer Penisse. Für Frauen kann eigentlich alles eine Nachricht sein.

Zumindest bei dem neuen Anzeigenblatt sunny: Über jeder Seite, egal ob zum Thema Kosmetik, Senioren oder Kontaktanzeigen, prangt „Nachrichten für die Frau“. Ebenso in die Irre führt sunny mit seinem Untertitel „Wochenzeitung für die Frau“, denkt man bei „Wochenzeitung“ allgemein doch eher an sorgfältig durchdachte Artikel zur Lage der Welt.

Der Verlag, der hinter sunny steckt, ist in diesem Bereich eigentlich kompetent. Das Anzeigenblatt kommt von der Sunday Verlags- und Werbe GmbH, die zu je 50 Prozent der FAZ und der Frankfurter Neuen Presse gehört. Nach außen hin tarnt sich sunny denn auch als vollwertige Wochenzeitung mit 45 Prozent redaktionellem Anteil, wie das Medium Magazin frohlockt – Zeit meets Frau im Spiegel quasi.

Vordergründig gibt sich sunny durchaus fortschrittlich; prangert den Diätenwahn an oder findet es okay, wenn ältere Frauen jüngere Männer haben. An anderer Stelle allerdings möchte der Verfasser eines Artikels über Frauen bei der Polizei die Uniformen der Politessen um Stöckelschuhe ergänzen. Und wie man ganz von selbst schlank wird, ist kurz hinter der Diäten-Schmähung nachzulesen.

Die großformatige Zeitung will von informativ bis unterhaltend alles gerne sein. Bloß „nicht zu emanzipiert“, so Sunday-Geschäftsführer Bernd Seitz. Nicht zu emanzipiert ist dementsprechend auch die Besetzung der Redaktion: Geschäftsführer und Chef vom Dienst ist jeweils ein Mann, ebenso werden die Ressorts Sport, Lokales, Zeitgeschehen, Auto, Reisen, Kultur und Wirtschaft von Männern geleitet. Die vier einsamen Frauen herrschen über klassische „Frauenressorts“ wie Mode und Kosmetik, Unterhaltung und Beilagen.

Die Mutation der Anzeigenpresse zu special interest-Titeln zeigt, daß es die Gratisblätter ernst meinen mit der Konkurrenz zu der Tageszeitung. Da lokale Tageszeitungen immer weniger Gewinn bringen, setzen große Verlage verstärkt auf die billigen Reklameblättchen. Im Leserschwund der Tageszeitungen sehen sie für sich die große Chance und tun einfach mal so, als könnten sie den Lesern das gleiche bieten. Bloß kostenlos. So steigerte sich die Gesamtauflage der 1.279 Deutschen Anzeigenblätter allein im letzten Jahr um 2,8 Millionen auf 80,5 Millionen. Und jetzt liegt im Rhein- Main-Gebiet auch noch sunny im Briefkasten von 840.000 Haushalten. Im Herbst soll dann noch das FAZ-Anzeigenblatt „Sunday, die flotte Sonntagszeitung“ auf den Markt kommen, ebenso wie Äppler, das neue Anzeigenblatt des Marktführers Blitz tip-Verlag.

Doch sunny könnte dasselbe Schicksal erleiden wie der als Frauensender getarnte Münchener Fernsehkanal tm3. Der hatte bereits 1995 die 53 Prozent Frauen der deutschen Bevölkerung als größte Zielgruppe für Werbekunden ausgemacht. Daß Frauen aber nicht einfach nur Frauen sind, hat man inzwischen auch bei tm3 zu spüren bekommen – der Sender dümpelt heute nur noch so vor sich hin. Die Frau, das unbekannte Wesen. Demgemäß zitiert sunny auch Oscar Wilde: „Frauen sind dazu da, um geliebt und nicht um verstanden zu werden.“ Ania Mauruschat