Die Angst geht immer mit

■ Wenn es Nacht wird in Tenever, trauen viele Frauen nicht mehr raus

Tenever, 22 Uhr. Die Bushaltestelle an der Ludwigshafener Straße nimmt sich winzig aus gegen die brachiale Skyline aus Beton, die steil in den schwarzen Nachthimmel ragt. Der Ortsteil wirkt wie leergefegt. Das setzt beklemmende Phantasien frei von Überfällen und eigener Hilflosigkeit. Die wabenartigen Wohneinheiten wirken viel zu hochgebaut, viel zu weit entfernt, als daß es sich lohnen würde, bei Gefahr um Hilfe zu rufen.

„Wer hier unten überfallen wird, ist tatsächlich schlecht dran“, bestätigt Gabi-Grete Kellerhoff vom Arbeitslosenzentrum Tenever. Die Sozialpädagogin ist ebenfalls aktiv in der Arbeitsgruppe „Frauen Tenever“. Die beschäftigt sich seit knapp einem Jahr mit „Angsträumen für Frauen“im Stadtteil.

Tenever ist eine gigantische Wohnanlage auf zwei Ebenen. Klassische Angsträume für Frauen, so Kellerhoff, sind die kleinen düsteren Innenhöfe, die spärlich beleuchteten Flure und die Parkgaragen im Souterrain. Letztere könnten eine super Kulisse für einen fiesen Hitchcock abgeben. „Hier sind schon oft Frauen belästigt worden“, erklärt Maria, eine alleinerziehende Mutter, die seit sieben Jahren in Tenever wohnt. Die unterirdischen Garagen sind vom Treppenhaus aus nur durch einen fensterlosen Gang zu erreichen. „Einmal ist das Licht ausgefallen als ich hier drin war“, erzählt Maria. „Ich dachte, ich komme um vor Angst.“Zur Demonstration knipst sie den Lichschalter in dem fahrstuhlgroßen Raum aus. Es wird stockfinster. Da muß man wie blind tasten, um die Türklinke zu finden.

Maria verhehlt nicht, daß in den vergangenen Jahren einiges zur Verbesserung der Sicherheit im Stadtteil geschehen ist. Die Bushaltestellen sind inzwischen beleuchtet, die Garagen haben zusätzliche Neonröhren erhalten. Dennoch ist Maria nicht zufrieden. „In der Neuwieder Straße gibt es Kameras und einen Portier für die Garagen. Das bräuchten wir auch hier in der Kaiserstraße.“Auch die unteren Zufahrtswege und kleinen Plätze zwischen den Wohneinheiten sind ihr „zu düster“.

Gabi-Grete Kellerhoff sieht das genauso, dennoch ist Tenever für sie „nicht bemerkenswert gefährlich“. Das mag die Bremer Polizei weder bestätigen noch dementieren, da ihre Kriminalstatistik Gewalttaten nicht nach Stadtteilen differenziert.

Für Kellerhoff sind die Forderungen der Tenever Frauen AG nach beleuchteten Plätzen und bewachten Garagen berechtigte Ansprüche, die „überall realisiert werden müssen“. Gewalt gegen Frauen sei kein spezielles Problem der Tenever BürgerInnen, lautet ihr Standpunkt. „Noch ist das Miteinander im Stadtteil auch eher von Toleranz als von Aggression geprägt“, erklärt sie. Und befürchtet, daß es so nicht bleibt. Sorge machen ihr die steigenden Mieten und die Pläne zur Kürzung der Sozialhilfe, wovon rund ein Drittel der Tenever BürgerInnen betroffen wäre. „Wer Armut produziert, provoziert Gewalt“, glaubt Gabi-Grete Kellerhoff. „Da kann die Frauen AG dann noch so oft sagen: Wir wollen eine Lampe im Keller. Das interessiert irgendwann nicht mehr.“