Warum ist das eine frohe Botschaft?

■ betr.: „Klima für Jobs“ (Öko lumne), taz vom 19./20. 4. 97

Ökonomie und Ökologie scheinen sich nun doch in Harmonie aufzulösen: Wenn etwas fürs Klima getan werden soll, muß auch mehr gearbeitet werden – und das ist schön, weil wir ja eine so hohe Arbeitslosigkeit haben.

Die Begründung für den kommenden Schub an Arbeit ist nicht immer leicht nachzuvollziehen: Ein Beispiel: Zwei Millionen DM Investition würden in der Kraftwerksindustrie einen Arbeitsplatz schaffen, in der Ökotechnik (Solarenergie etc.) dagegen weitaus mehr. Der Vergleich hinkt: Diese zwei Millionen DM Investition haben nicht nur Wirkung auf diesen Arbeitsplatz, sondern eben gerade auch auf Arbeitsplätze in Branchen, die die Einrichtung oder den Bau dieses Kraftwerkes betreiben. So einfach kann man sich die Rechnung nicht machen.

Aber gut, nehmen wir einmal an, die Wirkungen eines Strukturwandels der Produktion in Richtung Ökotechnik würden in der Summe wirklich mehr Arbeitsplätze schaffen („Hunderttausende“ bei fünf bis sechs Millionen Arbeitslosen!), vielleicht nicht zuletzt wegen eines gewissen Grades an Derationalisierung. Aber warum ist das eine frohe Botschaft?

Wir sollten uns freuen, wenn die für einen bestimmten Lebensstandard notwendige Erwerbsarbeit geringer wird – wir erhalten mehr Zeit zum Kommunizieren, Demokratisieren, Philosophieren, zum Lieben, zum Ausruhen etc. Das Problem ist nicht der Rückgang der notwendigen Arbeit, sondern deren schlechte Verteilung.

Wer nachhaltiges Leben und Wirtschaften mit einer Vision von mehr Arbeit verbindet, ist auf dem Holzweg. Das Schöne an der Nachhaltigkeitsvision ist doch gerade, daß sie entsprechend dem Motto „Weniger ist mehr“ auch eine befreiende Perspektive des weniger Arbeitens für weniger Konsum aufzeigt. Möglicherweise wird dieser Ausblick durch einen stofflich-technisch begründeten Zwang zur Derationalisierung von Produktion etwas getrübt. U. Schachtschneider,

Energieberater, Oldenburg

Du schreibst, daß durch Umweltschutztechnologien eine Million Arbeitsplätze neu entstanden sind. Das ist so überhaupt nicht richtig. Bei dieser Zahl sind nämlich auch Hunderttausende von Stellen in der Verwaltung, an den Hochschulen usw. mitgerechnet, die alle öfffentlich finanziert werden. Dann müßte ich fairerweise alle Jobs in Straßenverkehrsämtern, beim TÜV usw. der Autoindustrie zurechnen, das sind ebenfalls Hunderttausende von Arbeitsplätzen.

[...] Du schreibst, daß einige wenige Arbeitsplätze bei Energie- und Mineralölkonzernen wegfallen würden. Abgesehen davon, daß ich dann gerne einmal diese Arbeitnehmer dazu hören würde, ist diese Aussage falsch, denn potentiell wären natürlich alle Arbeitsplätze gefährdet, bei denen der Energiekostenanteil über dem Lohnkostenanteil liegt oder bei denen Produkte hergestellt werden, die im Gebrauch durch teure Energie verteuert würden. Dies beträfe eine große Zahl von Arbeitsplätzen, ob in der Autoindustrie, der chemischen Industrie, der Stahlindustrie, der Biotechnologie (hierzu gehört übrigens auch das Bierbrauen), der Chipherstellung. Dies sind alles Bereiche, in denen Deutschland sowieso den Anschluß schon zu verpassen droht. [...] Jörg Beyersdorf, Braunschweig