Von der Mördermoritat zum Psalm

■ Mit seinen sakralen Liebesliedern verwandelt Nick Cave Wein in Weihwasser

Alles was Nick Cave anfaßt, wird zu Pathos. Und so muß es auch sein. Denn wer wollte schon von dem dünnen Neuseeländer ein Drum'n'Bass-Stück hören? Seit Cave in den frühen Achtzigern seine Band Birthday Party hinter sich ließ und mit den Bad Seeds vom destruktiven zum elegischen Lärm übertrat, atmen alle seine Werke schon vor der Kanonisierung die Aura antiker Eichenmöbel. Und der letztjährige Hit „Where The Wild Roses Grow“, im Duett mit Landsmännin Kylie Minogue samten vorgetragen, hat ihm nicht nur die Rente gesichert, sondern ihn endlich auch in der wirklichen Welt zu dem gemacht, was er qua Gestus schon immer war: ein Klassiker.

Als hätte er den Masterplan für die Zeit nach dem Hit schon vorher im Kopf gehabt, hat Cave bereits während der Aufnahmen zu seinem Erfolgsalbum Murder Ballads den Nachfolger als Alterswerk konzipiert: Von Lebensweisheit getränkt, in sakraler Vorsicht daherschleichend und durchgehend im Timbre des von enttäuschter Liebe gebeutelten Mannes gehalten. Schon immer waren die weißen Tasten von Caves Flügel nur aufgemalt, diesmal aber steht auf seinem Deckel die Büste Leonard Cohens.

„I don't believe in an interventionist god“, lautet die erste Zeile, die auf The Boatman's Call, dem neuen Album, zu hören ist, und sie formuliert das Programm: Servus, ihr fiktiven Mordbuben, hallo an die höheren Mächte. „Ich glaube nicht an einen Gott, der herbeigerufen werden kann, um zu helfen und die Dinge zu ändern“, erläutert Cave. „Ich denke, es gibt größere Dinge im Lauf des Universums als meine eigenen, partikularen Probleme.“So sieht sie aus, die Partikularität im Brennglas der spirituellen Einsicht von Cave. Seine Stimmbänder, gut anderthalb Jahrzehnte lang auf Ingrimm trainiert, mögen noch nicht wirklich schwach genug sein für die Verwandlung von Moritaten in Psalmen. Der Geist aber ist willig, weiß Gott.

Seinen Hit, mit dem er als erster Indie-Star überhaupt einen Beitrag zu der Compilation-Reihe „Kuschelrock“liefern durfte, wird Cave dem Publikum im CCH wohl nicht vorenthalten. Die alte Pose des lärmenden Racheengels aber ganz bestimmt.

Christoph Twickel Fr, 2. Mai, 20 Uhr, CCH1