Selbstbespiegelungen und Frischzellen

■ Die 13. Hamburger Ballett-Tage eröffnen mit einer Neufassung des Hamlet

Bin ich verantwortlich für das, was mein Vater getan hat? Oder bin ich frei? Dieser Frage stellte sich der Hamburger Choreograph John Neumeier und beschloß, an den Hamlet-Stoff noch einmal Hand anzulegen. Vor zwölf Jahren hatte er eine Fassung für das Kopenhagener Ballett erarbeitet.

Damals spielte das Drama des zweifelnden Sohnes noch in der Wikinger-Zeit. „Wahrscheinlich, weil wir so dänisch sein wollten“, witzelt Neumeier und sinniert heute: „Ich bin älter geworden.“Hamlet ist ihm näher gerückt, näher auch an die Gegenwart. Wie nah, das wird sich am 4. Mai klären, wenn die Hamlet-Premiere die 13. Hamburger Ballett-Tage einläutet.

Es sieht alles danach aus, als ob die vierzehn Vorstellungen der traditionellen Ballett-Tage diesmal einen Bruch auf ganzer Linie ritualisieren. Im Ensemble stehen die Zeichen auf „Abschied und Neubeginn“, wie Neumeier die kommende Ballett-Werkstatt betitelte. Gigi Hyatt wird mit ihrem Lebensgefährten Janusz Mazon dem Tanz den Rücken kehren und nach Amerika abwandern. Kennern sei empfohlen: Am 15. Mai verabschiedet sich Gigi Hyatt in der Rolle der Viola, am 18. Mai folgt ihr Janusz Mazon als Romeo.

Ivan Liska ist bereits fort, kehrt aber für die Gala auf die Bühne zurück. Vernünftige Nachricht in all dem Gemenge: Nun kommen endlich die Zwillinge Otto und Jiri Bubenicek zum Zuge, denn sie werden ab Herbst erste Solisten.

Die nächste, jedes Jahr im Mai wieder spannende Frage: „Wie viele Gastspiele darf man erwarten?“wird dieses Mal eine rekordverdächtige Antwort erzielen: Waren es im letzten Jahr noch zwei, so ist es in diesem Jahr ein einziges. Die finanzielle Misere (die so neu sein mag, wie die Selbstbespiegelung des Hamburger Choreographen andauert) soll der Grund dafür sein. Das einzige Gastspiel kommt also am 13. und 14. Mai von Nacho Duato mit seiner Compania Nacional de Danza. In der Vita des spanischen Choreographen finden sich jene Orte, an denen das Ballett eine Frischzellenkur erhielt: Das schwedische Cullberg-Ballett etwa oder das Nederlands Dans Theater.

Höhepunkte der Gala Shakes-peare and friends am 18. Mai sind eine Uraufführung des Dresdner Choreographen Stephan Thoß und das in Hamburg bisher nicht gezeigte opus 100, das Neumeier seinem Freund Maurice Béjart schenkte. Gabriele Wittmann

Hamlet-Premiere: 4. Mai, 18 Uhr; Ballett-Tage bis 18 Mai, Hamburg Oper