Neues Schnellstraßennetz um Berlin in Planung

Die Autorennbahn „Blaues Netz“ soll die Brandenburger Mittelzentren miteinander verknüpfen. Während das Verkehrs- ministerium von einer „leistungsfähigen Straße“ träumt, wächst der Widerstand von Bürgerinitiativen  ■ Von Christoph Villinger

„Der Trick ist aus Westdeutschland und seit den 70er Jahren altbekannt“, sagt Robert Hinze, Mitglied der örtlichen Bürgerinitiative gegen den Schnellstraßenbau aus Niederfinow bei Eberswalde. „Erst werden allerlei weiträumige Ortsumgehungen geplant, für die nur lokale Raumordnungsverfahren durchgeführt werden müssen. Später werden sie dann durch sogenannte „Lückenschließungen“ zusammengeknüpft, und fertig ist die durchgehende Schnellstraße, für die nie ein überörtliches Raumordnungsverfahren beantragt wurde. Und so entsteht ganz nebenbei ein neuer Schnellstraßenring um Berlin.“

Obwohl in den Sternen steht, woher im Augenblick die Gelder kommen sollen, wird davon unbeirrt vom brandenburgischen Ministerium für Stadtentwicklung, Umwelt und Verkehr der Ausbau „der vorhandenen Bundesstraßen zu einem leistungsfähigen Netz“ geplant.

Dieses soll frei von Ortsdurchfahrten sein und möglichst kreuzungsfreie Knotenpunkte haben. Mit diesem sogenannten „Blauen Netz“ entstehe „ein Straßennetz besonderer Qualität zwischen Bundesautobahn und Schnellstraße, das es in anderen Bundesländern nicht gibt“, wie es im Straßenbaubericht 95/96 heißt. Neben dem Ausbau der großen Ausfallstraßen aus Berlin ist vor allem eine neue Ringverbindung im 100-Kilometer-Radius um den Berliner Fersehturm vorgesehen.

Dieser Ring würde von Frankfurt (Oder) über Eberswalde, Neuruppin, die Stadt Brandenburg, Jüterbog, Lübben wieder nach Frankfurt (Oder) führen. Anscheinend hofft man im Verkehrministerium, daß sich in den nächsten Jahren neue Finanztöpfe auftun.

In diesem Moment könnten sie dann die von der Bevölkerung nie als relevant wahrgenommenen Pläne fertig genehmigt und damit für jeden juristischen Einspruch zu spät aus der Schublade ziehen.

Doch an vielen Orten in Brandenburg möchten die BürgerInnen und betroffenen Gemeinden etwas anderes, als es im Verkehrsministerium geplant wird. Dafür stehen Orte wie Michendorf bei Potsdam, Eberswalde, Ladeburg bei Bernau, Eden bei Oranienburg sowie die Südtangente um Potsdam.

Der Konflikt dreht sich in allen Fällen darum, ob ortsnahe Umgehungsstraßen mit möglichst vielen Zu- und Abfahrten geplant werden, die eine wirkliche Entlastung für die Innenstädte bringen. Oder ob weiträumige Umfahrungen, zum Teil sogar vierspurig, projektiert werden, die nur dem zahlenmäßig relativ geringen Fernverkehr etwas nutzen.

Zum Beispiel ist im Raum Eberswalde vom Verkehrsministerium ein völliger Neubau einer „Ortsumgehung“ mit 20 Kilometer Länge von der Autobahnabfahrt Finowfurt entlang des Oder-Havel-Kanals bis Niederfinow geplant.

Ein Ausbau „mit verbreitertem Querschnitt“ (die Bürgerinitiative nennt dies „vierspurig“) und eine Kurvengeschwindigkeit von 100 Kilometer pro Stunde sind ebenso die Vorgaben wie daß für die sich über 10 Kilometer hinziehende Dreifachstadt Finowfurt-Finow- Eberswalde nur ganze drei Zu- beziehungsweise Abfahrten vorgesehen sind.

Danach soll es mitten durchs Biosphärenreservat „Schorfheide/ Choriner Endmöräne“ gehen. Der Höhenunterschied hinab zum Oderbruch soll mit einer riesigen Rampenbrücke über den Ort Niederfinow überwunden werden. Im Urstromtal der Finow angekommen, soll nicht nur der Bahnhof Niederfinow verlegt, sondern einige weitere Häuser abgerissen werden, um Platz für die Schnellstraße zu schaffen.

Doch der Widerstand gegen die Planungen ist massiv. Nicht nur die zuständigen Naturschutzbehörden und die Verwaltung des Biosphärenreservats stellen sich quer. Auch über 350 von 650 Einwohnern Niederfinows legten gegen die Planungen schriftlich Widerspruch ein. So wurde das Raumordnungsverfahren im Herbst 1995 ausgesetzt. Seit Monaten ist ein neues Raumordnungsverfahren angekündigt, wird jedoch immer wieder verschoben.

Auch die Stadt Eberswalde, die anfänglich der Planung gegenüber aufgeschlossen war, hat inzwischen eine eigene Planung, den sogenannten „Eberswalder Schwung“, verabschiedet.

„Die Planung des Landes kann unsere lokalen Verkehrsprobleme nicht lösen“, sagt Frau Ertel vom Stadtplanungsamt. Die Pläne der Stadt ziehen eine Streckenvariante vor, die zweispurig und eng um die vorhandenen Siedlungskerne mit möglichst vielen Ab- und Zufahrten herumführt. Eine Verkehrszählung hatte 1995 ergeben, daß nur 300 Pkw pro Tag wirklicher Fernverkehr sind, der Rest ist innerstädtischer und Quell- und Zielverkehr.

Nun appellieren die Eberswalder Stadtverordneten an das Land, den „Eberswalder Schwung“ in die Planung mit einzubeziehen. Das Land sagt dagegen, die Stadt Eberswalde kann planen, was sie will, Fördermittel vom Bund gebe es nur für die Landesplanung.

Das dafür zuständige Straßenbauamt des Landes in Strausberg betont, daß im Augenblick noch alle möglichen Varianten untersucht werden und von ihner Seite noch keine Entscheidung gefallen ist. Mit dem neuen Raumordnungsverfahren und damit der Benennung einer „Vorzugsvariante“ sei aber im Sommer zu rechnen.

Nicht nur die BI in Niederfinow hofft, daß das gesamte Projekt „Blaues Netz“ eingestellt wird. „Die Gelder wären für den weiteren Ausbau von lokalen, ortsnahen Verkehrsverbindungen und den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs besser angelegt“, sagt Carola von der Bürgerinitiative.

„Und wir wollen genau aufpassen, daß sie in ganz Brandenburg mit ihren völlig überdimensionierten Planungen nicht durchkommen. Wir müssen die Planungen heute verhindern, um im Jahr 2000 bei einem eventuellen Baubeginn nicht wie bei der Ostseeautobahn dazustehen. Dort wurde der Widerstand erst aktiv, als alles formaljuristisch schon längst über die Bühne war.“