Wahlkampf im Hexenkessel

Einen Monat vor den Wahlen wächst in Indonesien die Angst vor neuen Unruhen. Die Präsidenten-Partei steht als Sieger fest. Unklar ist noch, wie viele die Abstimmung boykottieren  ■ Aus Bangkok Jutta Lietsch

Indonesien ist das einzige Land der Welt, das einen aufregenden Wahlkampf verspricht. Und das, obwohl der Sieger schon lange feststeht. Wie immer wird die Regierungspartei Golkar von Präsident Suharto das Rennen machen und, daran gibt es wenig Zweifel, bei den Parlamentswahlen am 29. Mai rund zwei Drittel der Stimmen erhalten. Die beiden anderen amtlich zugelassenen – und scharf kontrollierten – Parteien haben keine Chance.

Dennoch wird es in den nächsten Wochen spannend. Regierung und Opposition befürchten, bei den politischen Kundgebungen könnten gewaltsame Unruhen ausbrechen. Überall im Lande brodelt es. An verschiedenen Ecken und Enden des 16.000-Insel-Reiches verwüsteten in den vergangenen Monaten Menschenmengen Kirchen, Tempel, Polizeistationen und Geschäfte.

Wie viele Indonesier glaubt der bekannte Journalist Goenawan Mohamad, daß die Unruhen vor allem soziale Ursachen haben. Die Unzufriedenheit mit der Korruption und die tiefe Kluft zwischen Arm und Reich sitzen tief, aber die Regierung versucht jeden Protest zu ersticken. Gerade erst wurden Budiman Sudjatmiko, Chef der offiziell nicht zugelassenen „Demokratischen Volkspartei“, und elf weitere Oppositionelle zu harten Gefängnisstrafen verurteilt, weil sie Präsident Suharto „diffamiert“ und die staatlichen Institutionen „untergraben“ hätten.

Ihr Verbrechen: Sie prangerten Vetternwirtschaft und soziale Ungerechtigkeit an und organisierten Arbeiterstreiks. Budiman erhielt dreizehn Jahre Haft. Der Journalist Goenawan: „Wenn es kein klares Recht gibt, kein funktionierendes Kontrollsystem, sondern nur die Anwendung von Gewalt – was kann man dann erwarten, wenn eine Menge erbitterter Leute zusammenkommt, um ihre einzige Chance zu einer politischen Kundgebung zu feiern?“

Spannend wird es aber auch, weil unklar ist, wie viele der 125 Millionen Wahlberechtigten die Abstimmung boykottieren werden und damit der Regierung die Legitimation verweigern. „Golput“ (Boykott) statt „Golkar“! fordern Dissidenten in Jakarta. Spätestens seit Suharto und andere Politiker Verwandte und Ehefrauen auf die Kandidatenlisten hievten, regt sich auch in der sonst geduldigen Mittelschicht der Ärger. Zu offensichtlich soll die Wahl dem Suharto-Clan und seinen Günstlingen die Pfründen sichern. Frust haben auch die scharfen Wahlkampfregeln hervorgerufen. Die Parteien mußten nicht nur jeden Kandidaten von der Regierung genehmigen lassen. Sie müssen auch alle Flugblätter, Wahlreden und Programme vorlegen.

Eine lästige Widersacherin des Präsidenten, Megawati Sukarnoputri, darf nicht kandidieren, nachdem die Regierung sie im vergangenen Jahr als Vorsitzende der „Demokratischen Partei Indonesiens“ (PDI) absetzen ließ – was zu den schweren Juni-Unruhen von Jakarta führte. Eine Wahlveranstaltung der PDI in der Stadt Surabaya mußte am Montag nach heftigen Prügeleien abgebrochen werden: Anhänger Megawatis hatten gegen den Auftritt der Suharto- freundlichen Fraktion protestiert. Megawati hatte tags zuvor angekündigt, ihre Anhänger würden am Wahlkampf nicht teilnehmen. Sie wolle „gewissen Leuten“ keine Gelegenheit geben, Gewalt zu provozieren, sagte sie. Ob die Politikerin es allerdings wagen wird, ihre Anhänger zum Boykott der Wahlen selbst zu ermuntern, ist fraglich. Auf solche Aufrufe hat die Regierung scharf reagiert. Mehrere Dissidenten, darunter der Ökonom Sri Bintang Pamunkas, sitzen im Gefängnis, weil sie für die „Golput-Partei“ geworben haben.