„Wir wollen den Ausstieg flächendeckend“

■ Interview mit Hartmut Liebermann, Sprecher der BI „Kein Atommüll nach Ahaus“

taz: Am 1. Mai findet in Ahaus ein bundesweiter Aktionstag „X4“ statt. Soll nach Gorleben Ahaus zum Widerstandsort der Anti- AKW-Bewegung werden?

Hartmut Liebermann: Seit 20 Jahren veranstalten wir am 1. Mai einen Aktions- und Protesttag gegen die Lagerung von Atommüll in Ahaus. In diesem Jahr kommen neben dem Jubiläum die Pläne hinzu, ab Herbst atomaren Müll aus der gesamten Republik in Ahaus einzulagern. Deshalb haben wir der Aktion den Namen X4 gegeben, womit wir an die erfolgreichen Aktionstagen im Wendland anknüpfen. Zumindest bei den ersten Transporten wird diese Dimension des Widerstandes hier aber kaum erreicht werden.

Wie sieht es mit der Unterstützung durch auswärtige AKW- GegnerInnen aus?

Wir haben uns gefreut, daß AKW-GegnerInnen aus der gesamten Republik, einschließlich der Gruppen aus dem Wendland, zu der Aktion X4 nach Ahaus mobilisieren. An der Mobilisierung wird sich zeigen, ob es in der BRD eine Anti-Atomkraft-Bewegung oder bloß eine Anti-Castor-ins- Wendland-Bewegung gibt.

Von großem Widerstand in Ahaus war bisher wenig zu hören.

1994 wurden in Ahaus 305 Castor-Behälter mit Atommüll aus dem stillgelegten Thorium-Hochtemperaturreaktor THTR-Hamm Uentrop gelagert, die in zirka 50 Transporten ins Atommüllager gebracht werden. Nur von den wenigsten haben wir erfahren, und die Proteste waren so schwach, daß sie die Polizei einfach wegräumen konnte. In den letzten Jahren hat sich der Widerstand in der Region verbreitert. Über 600 Menschen haben in einer Anzeige ihren Widerstand gegen weitere Transporte angekündigt.

Wie reagieren die Bündnisgrünen? Schließlich sitzen die ja mit in der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen.

Im Koalitionsvertrag haben SPD und Bündnisgrüne vereinbart, daß lediglich Atommüll aus NRW in Ahaus gelagert werden soll. Noch im März hat die Landesregierung in einem Schreiben diese Vereinbarung bekräftigt, aber hinzugefügt, da Bonn das letzte Wort habe, seien ihr die Hände gebunden. Die Bündnisgrünen NRW haben auf ihrem Landesparteitag am Wochenende klargestellt, daß sie auf der Einhaltung der Koalitionsvereinbarung bestehen wollen. Außerdem wollen sie eine überregionale Vernetzung des Widerstandes unterstützen.

Der niedersächsische Ministerpräsident Schröder verlangt vom Atommüllager Ahaus Entlastung für Gorleben.

Vergleicht man die Anzahl der Castoren in Gorleben und in Ahaus, dann könnte Gorleben eine Entlastung für Ahaus sein und nicht umgekehrt. Das ist die Logik des niedersächsischen Ministerpräsidenten, der eine ganz üble Rolle spielt, wenn er verlangt, daß mit den Transporten nach Gorleben jetzt Schluß sein müsse und sie nach Ahaus umgeleitet werden sollen. Aber das ist nicht unsere Logik. Wir verfahren nicht nach dem Sankt-Florians-Prinzip. Wir wollen keine Transporte nach Ahaus, Lubmin oder Gorleben oder woanders, sondern die Stillegung der Atomindustrie. Interview: Peter Nowak