„Irgend etwas stimmt bei uns in der PDS nicht“

■ Hanno Harnisch bleibt trotz seiner Stasi-Tätigkeit Pressesprecher der PDS

Berlin (taz) – Die Debatte folgte den Regeln der traditionsreichen Arbeiterbewegung: Es gab ein bißchen Kritik, ein bißchen Selbstkritik, und der Beschluß am Ende war einstimmig. Hanno Harnisch, so entschied der Bundesvorstand der PDS am Montag abend, bleibt Pressesprecher der Partei. Harnisch war zwar 13 Jahre lang Inoffizieller Mitarbeiter (IM) der Stasi, aber diese Tatsache allein zählte für die PDS-Führung nicht. Hanno Harnisch, so hieß es in der Begründung des Vorstandes nach Einsicht der Stasi-Akten, sei von sich aus nicht denunziatorisch tätig geworden. Er habe vielmehr selbst über längere Zeit unter Stasi-Beobachtung gestanden und sei im Ergebnis dessen von seinem Studium in der Sowjetunion relegiert worden.

Die PDS schließt auf ihre Weise damit einen Stasi-„Fall“ ab, der ihr zwar ungelegen kam, sie aber auch nicht gerade aus der Bahn geworfen hat. Die Zeiten sind nicht mehr danach. Anfang Januar hatte Hanno Harnisch erst nach einem entsprechenden Bericht der Bild- Zeitung eingeräumt, von 1976 bis 1989 als IM „Egon“ für die Spionageabwehr tätig gewesen zu sein. Nach seiner eigenen Schilderung war er durch die Stasi zur Zusammenarbeit genötigt worden. Bis 1985 hatte Harnisch, der nie Mitglied der SED war und lange Jahre als Rundfunkjournalist beim Jugendradio DT64 gearbeitet hat, über Kontakte zu intellektuellen Kreisen in der DDR berichtet.

Kritik ist in der PDS in den letzten Monaten so gut wie nie an Harnischs IM-Tätigkeit geübt worden, sondern lediglich an der Tatsache, daß er sie nicht von selbst offengelegt hat. Den Beschluß, der alle Vorstandsmitglieder der Partei genau dazu verpflichtet, umging die PDS aus formalen Gründen: Harnisch sei als Parteisprecher in keiner Wahlfunktion, sondern nur Angestellter der Partei. Auch die Brandenburger Landtagsfraktion der PDS hat vor drei Wochen keine Konsequenzen gezogen: Sie beließ Harnisch als ihren Vertreter im Rundfunkrat des ORB.

Im Parteivorstand war denn auch keine Überraschung zu erwarten. Viele kritisierten Harnisch noch einmal dafür, daß er nicht eher und von sich aus über seine Stasi-Tätigkeit geredet hatte – und beließen ihn dann im Amt. Wolfgang Gehrcke, stellvertretender PDS-Chef, hat wie alle dafür gestimmt; doch hinterher beschlich ihn als einen der wenigen ein komisches Gefühl: Er sei mit Harnisch befreundet und frage sich, warum dieser sich ihm all die Jahre nicht anvertraut hat. „Irgend etwas stimmt bei uns in der PDS nicht“, so Gehrcke, „den offenen Umgang mit unseren Biographien haben wir nicht hingekriegt.“

Fast scheint es, daß Harnisch selbst darüber am meisten enttäuscht ist. „Mich bewegt nicht so sehr, daß ich so lange geschwiegen habe“, meinte er gegenüber der taz, „sondern daß ich überhaupt für die Stasi gearbeitet habe.“ Ihn störe, daß im Vorstand offensichtlich keiner darüber reden wollte. Dabei wäre gerade das die „unbequemere Diskussion“ gewesen. Gut gesagt – Konsequenzen gezogen hat Harnisch daraus nicht. Jens König