„Opfer mächtigerer Seilschaften“

■ Der grüne Politiker Peter Pilz fordert die Abschaffung des politischen Proporzsystems bei den Banken und der Verwaltung

taz: Wie erklären Sie sich den Freitod Praschaks?

Peter Pilz: Die Notizen und Aufzeichnungen von Dr. Praschak schildern die Geschichte eines Menschen, der früher durch ebendiese politischen Beziehungen in eine führende Position gekommen ist, die sich dann gegen ihn gerichtet haben. Es ist die Geschichte eines Bankmanagers, dem Schritt für Schritt klargemacht wird, daß er einem politischen Versorgungsfall zu weichen hat, daß auf höchster Ebene abgesprochen ist, daß für ihn kein Platz mehr ist und daß er, wie es heißt, zum politischen Sicherheitsrisiko geworden ist.

Gehen aus den Unterlagen, die Praschak den Oppositionsparteien zugeschickt hat, Hinweise auf strafbare Handlungen hervor?

Sie erhärten den Verdacht, daß es verdeckte Gewinnausschüttungen mit Steuerhinterziehung gegeben hat. Praschak beschreibt das selbst in einem Aktenvermerk. Es gibt äußerst dubiose Vorgänge um ein Hotelprojekt in Prag, das Hotel Diplomat.

In welcher Form?

Der dortige Projektleiter hat die Bank und die Kontrollbank falsch informiert. Als Ende März/Anfang April der Schadensfall eintrat, versuchte die Bank Austria, gegen alle rechtlichen Grundlagen, die Kontrollbank mit hineinzuziehen. Die hat sich gewehrt. Das Problem dabei ist, daß der Chef der Bank Austria gleichzeitig Aufsichtsratschef der Kontrollbank ist; er ist also einerseits größter Kreditnehmer, andererseits der Arbeitgeber. In einer solchen Zwickmühle passieren ständig Geschichten, wo aus solchem Einfluß persönlicher Druck wird.

Wenn sich die Vorwürfe erhärten, müßten dann Köpfe rollen?

Es ist nicht mein Stil, gleich über Köpfe zu reden. Man muß zuerst einmal aufklären. Dabei werden die Gerichte eine geringere Rolle spielen als das Parlament. Wir fordern eine Sondersitzung.

Praschaks Rivale Rudolf Scholten soll ihn als Sicherheitsrisiko bezeichnet haben. Wie interpretieren Sie das?

Das soll der Dr. Scholten erklären. Das ist eine der Hauptfragen an ihn.

Welche Konsequenzen fordern die Grünen?

Dr. Scholten sollte bis zur Klärung der Vorwürfe seinen Posten nicht antreten. Wir wollen weiter eine Garantie des Bundeskanzlers, daß es keine weiteren Sekretärsbesetzungen in öffentlichen Banken gibt. Das betrifft in den nächsten Wochen vor allem die Neubesetzungen in der Nationalbank. Zuletzt, daß mit dem politischen Proporzsystem in diesem Bereich der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung Schluß gemacht wird.

Geht das über die Privatisierung der Banken?

Die Privatisierung ist eine Möglichkeit. Die Nationalbank wird wohl dafür nicht in Frage kommen. Da muß man zu anderen Mitteln greifen. Das ist nicht nur eine Frage der politischen Kultur, sondern da muß man ganz klare politische Konsequenzen verankern. Wenn Bundeskanzler oder Finanzminister in Zukunft Proporzbesetzungen versuchen, müßten sie sofort ihren Hut nehmen. Interview: Ralf Leonhard