Wer wählt wen mit wem in Frankreich?

■ Auf der Rechten und der Linken formieren sich knapp einen Monat vor den Parlamentswahlen die Wahlbündnisse. Programmatisch kommen beide nicht voran

Paris (taz) – 27 Tage vor dem ersten Durchgang der Parlamentswahlen rauften sich gestern in Paris die zerstrittenen Geschwister auf beiden Seiten des politischen Spektrums mehr oder weniger zusammen. Am weitesten gingen Neogaullisten (RPR) und Liberale (UDF), die am Morgen ihr gemeinsames „Programm“ vorstellten. Schwerer taten sich Sozialisten (PS) und Kommunisten (PCF), deren Spitzen sich am Nachmittag trafen, um eine gemeinsame Erklärung zu verabschieden.

Die Konservativen ließen die beiden Parteichefs Alain Juppé (RPR) und François Léotard (UDF) in längst vergessener Einmütigkeit die gemeinsame plate- forme vorstellen. Die beiden hatten sich seit den letzten Präsidentschaftswahlen, in denen sie gegnerische Kandidaten unterstützten, wenig Freundliches zu sagen.

Gestern war von den Divergenzen nichts mehr zu spüren. Die beiden Politiker stellten ein Programm vor, das weniger Steuern und Sozialabgaben, weniger Staat, mehr Unterstützung für die private Initiative und eine Erneuerung des „Sozialpaktes“ für die Schwächsten der Gesellschaft enthält.

Darüber hinaus bekannten sie sich in Punkt vier ihres sechsseitigen Papiers zu Frankreichs Rolle als „Motor Europas“. Unter anderem wollen sie den Fahrplan zum Euro und das Osterweiterungs- Programm der Gemeinschaft beibehalten und zusätzlich ein „soziales Europa“ schaffen – letzteres im Unterschied zu den deutschen Partnern, aber in einer Linie mit zahlreichen folgenlos gebliebenen Erklärungen Chiracs. Selbst Ex- Innenminister Charles Pasqua und der Parlamentspräsident Philippe Séguin waren anwesend – und meldeten keinen Dissenz an, obwohl ihre Kritik an der Euro-Politik notorisch ist.

Sieben Seiten lang war der Entwurf der gemeinsamen Erklärung, an der zwei hochrangig besetzte Delegationen von Kommunisten und Sozialisten gestern am Spätnachmittag den letzten Feinschliff vornahmen. Das seit fünf Monaten in Vorbereitung befindliche Dokument soll ausdrücklich keine Grundlage für eine gemeinsame Regierung, sondern lediglich eine Orientierung für den Wahlkampf der beiden Parteien sein. Einmütig kritisieren PS und PCF in ihrer Erklärung die vorgezogenen Neuwahlen als „Zeichen der Schwäche einer Macht, die eine Blankovollmacht haben will“. Sie warnen vor einer „Beschlagnahmung des Staates durch die Rechte“, wollen die neuen Immigrationsgesetze abschaffen, das Privatisierungsprogramm stoppen und 700.000 Arbeitsplätze schaffen. Ausgeklammert haben PS und PCF die heikle Frage des Euro, den die Sozialisten einst in Maastricht vertraglich beschlossen hatten und die Kommunisten bekämpfen. Die gestrige Erklärung nennt nur ein nicht näher spezifiziertes „soziales Europa“ und kritisiert das „liberale Europa“. Von „Volksfront“, wie die Rechte schreit, kann keine Rede sein. Dorothea Hahn