„Kritischer Dialog“ ab jetzt verschleiert

■ Die Außenminister der Europäischen Union schicken ihre Botschafter nach Teheran zurück. Kontakte zu Mitgliedern des Mullah-Regimes sollen vorerst unterbleiben. Kinkel spricht von „Denkpause“ im „kritischen Dialog“

Luxemburg (taz) – Die EU hat gestern ein Kontaktverbot für iranische Minister verhängt. Mitglieder der Mullah-Regierung dürfen weder besucht noch empfangen werden. „Der ,kritische Dialog‘ ist zu Ende“, sagte der österreichische Außenminister Wolfgang Schüssel. Doch die harte Formulierung steht in leichtem Widerspruch zu dem, was die 15 Außenminister der EU gestern in Luxemburg wirklich beschlossen haben.

Die Außenminister einigten sich darauf, die Botschafter wieder nach Teheran zurückkehren zu lassen. Sie waren am 10.April, nach dem Mykonos-Urteil, das die iranische Staatsführung als Drahtzieher der Morde an Oppositionellen in Berlin benannte, aus dem Iran zu Beratungen nach Hause beordert worden. Wenn man etwas erreichen wolle, rechtfertigte Bundesaußenminister Klaus Kinkel diesen Schritt, müsse man im Gespräch bleiben können.

Doch auf Ministerebene wollen die EU-Länder vorerst nicht mehr mit dem Iran reden. „Unter den gegebenen Umständen ist eine Fortführung des ,kritischen Dialogs‘ nicht möglich“, sagte Kinkel. Er ließ aber offen, ob der Dialog beendet oder ausgesetzt ist. „Dringend notwendig ist eine Denkpause, eine Neubewertung und ein Neuanfang.“ Die Außenminister forderten die iranische Regierung auf, das internationale Völkerrecht zu achten, den Staatsterrorismus zu beenden und die Menschenrechte einzuhalten. Zudem solle der Iran den Atomsperrvertrag und das Abkommen zum Verbot chemischer Waffen unterschreiben.

Dänemark und Österreich hätten gern ein deutlicheres Signal der EU an den Iran gesehen. Der österreichische Außenminister Schüssel erinnerte daran, daß 1989 auch in seinem Land iranische Oppositionspolitiker „mit Wissen der iranischen Regierung“ ermordet wurden. Die Haftbefehle gegen iranische Geheimdienstmitarbeiter konnten aber bisher „nicht exekutiert werden“.

Auf Handelssanktionen gegen den Iran, wie sie die US-Regierung von der EU seit langem verlangt, wollten sich die EU- Außenminister nicht einlassen. „Das will keiner“, sagte Kinkel. Allerdings solle das bestehende Waffenembargo etwas wasserdichter gemacht werden. Die EU will die assoziierten Länder in Mittel- und Osteuropa auffordern, sich den EU-Maßnahmen anzuschließen. Nach wie vor bezieht der Iran Waffen aus einigen Ländern, die der EU beitreten wollen.

Aus dem Umkreis der französischen Regierung sickerte durch, daß Paris dieses Kontaktverbot für iranische Minister schon zu weit geht. Man werde sich zwar an die gemeinsam beschlossene Abmachung halten und auf offizielle Treffen mit iranischen Ministern verzichten, doch Arbeitsbesuche müßten nach wie vor möglich sein. Vor dem Konferenzgebäude auf dem Luxemburger Kirchberg demonstrierten rund 1.000 oppositionelle Iraner gegen die weiche Haltung der EU. „Das ist ein Zeichen der Schwäche“, kommentierten einige von ihnen das Ergebnis. Nur ein Abbruch der diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen werde die iranische Führung beeindrucken.

Auch Farideh Zebardschad, die Frau des seit November verschwundenen Schriftstellers Faradsch Sarkuhi, protestierte vor dem Ministerratsgebäude. In einem offenen Brief an die Außenminister erinnerte sie daran, daß ihr Mann vom iranischen Geheimdienst gefangengehalten werde: „Der ,kritische Dialog‘ bedeutet im Klartext: geheime Absprachen und faule Kompromisse.“ Die Wirtschaftsmacht Europa habe schließlich genügend Mittel, sich gegenüber dem Iran zu behaupten. Alois Berger

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