Die EU-Außenminister waren fassungslos. Gerade hatten sie beschlossen, ihre Botschafter wieder nach Teheran zu schicken. Iran lud den deutschen und dänischen Vertreter gleich wieder aus. Die EU rang um Gemeinsamkeit: Alle sollen daheim blei

Die EU-Außenminister waren fassungslos. Gerade hatten sie beschlossen, ihre Botschafter wieder nach Teheran zu schicken. Iran lud den deutschen und dänischen Vertreter gleich wieder aus. Die EU rang um Gemeinsamkeit: Alle sollen daheim bleiben.

Fußtritt statt Handschlag in Teheran

Der Iran hat die EU-Diplomatie kalt erwischt. Gerade noch waren die Außenminister der Gemeinschaft zufrieden über ihren gemeinsam sanft abgestimmten Kurs den Mullahs gegenüber auseinandergegangen. Zurückschicken der abgezogenen Botschafter, keine Wirtschaftssanktionen, Abbruch des „kritischen Dialogs“ und eine Kontaktsperre für Minister mit iranischen Kollegen nach dem Mykonos-Urteil – das schien ihnen eine auch für Teheran akzeptable Entscheidung zu sein. Und da platzte in den Aufbruch der Minister aus Luxemburg hinein am Mittwoch die Nachricht, daß der Iran ganz kühl konterte: Der deutsche und der dänische Botschafter bräuchten gar nicht erst zu kommen. Außenminister Welajati präzisierte kurz darauf: „Wir wären nicht traurig, wenn der deutsche Botschafter nicht wiederkommt – wir wären sogar hocherfreut.“

Die EU zeigte sich völlig überrascht, verwirrt und zunächst unfähig zu gemeinsamer Reaktion. Wolfgang Schüssel, der österreichische Außenminister, war zufällig noch im Konferenzgebäude und konnte von den Reportern als einer der ersten befragt werden. Die EU werde „gegebenenfalls eine europäische Gesamtantwort“ finden, sagte Schüssel, der davon ausging, daß diese Anwort vage genug formuliert sei, um alle denkbaren Entwicklungen abzudecken. Schließlich gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine offizielle Erklärung der iranischen Regierung. „Wir werden es nicht zulassen“, hängte Schüssel noch an, „daß die EU-Länder auseinanderdividiert werden.“

Aber so einfach ist die EU nicht zusammenzuhalten. Ein oder zwei Stockwerke höher und irgendwo am anderen Ende des Konferenzlabyrinths redete auch der niederländische Außenminister Hans van Mierlo mit Journalisten. Was van Mierlo sagt, wiegt schwerer, weil die holländische Regierung derzeit den Vorsitz in der EU führt und deshalb auch für die schnellen Entscheidungen zuständig ist. Und er wiederholte nur das, was die 15 Außenminister am Vortag beschlossen hatten: Die EU-Regierungen würden ihre Botschafter in den Iran zurückschicken: „Jedes Land ist frei, das zu tun.“ Der italienische Botschafter hatte es besonders eilig gehabt und war zu diesem Zeitpunkt längst unterwegs. Und in Bukarest zeigte sich Bundesaußenminister Klaus Kinkel überrascht und „in diesem Moment nicht gut informiert“. Die SPD-Opposition höhnte über das „falsche Signal der Nachgiebigkeit“, das die EU an Teheran gesandt habe und das dort nicht einmal gewürdigt worden sei. Für die Grünen forderte Joschka Fischer angesichts des Debakels seiner Diplomatie den Rücktritt Kinkels.

An der Überraschung der Außenminister über die heftige iranische Reaktion läßt sich ablesen, welches Gewicht sie selbst ihren Beschlüssen beimaßen. Die Kontaktsperre tut niemandem weh, weil sich die Regierungen schon seit einiger Zeit nicht mehr mit iranischen Ministern sehen lassen wollen. Und beim „kritischen Dialog“ wissen auch die Außenminister nicht so recht, worin der eigentlich bestand, außer in kleinen Nebenbemerkungen über Menschenrechte, die am Rande des Geschäftlichen ausgetauscht wurden.

Daß neben dem deutschen auch der dänische Botschafter von Teheran ausgeladen wurde, ist kein Zufall. Das kleine Land ist in letzter Zeit häufiger damit aufgefallen, daß es auch in der Außenpolitik an Prinzipien festhält. Schon im Streit um die Verletzung der Menschenrechte in China hatte Dänemark an einer Verurteilung festgehalten, obwohl die großen Nachbarn längst vor Peking gekuscht hatten. Die chinesische Regierung hatte den EU-Regierungen zuvor mit einem Handelsboykott gedroht und ihn dann prompt gegen Dänemark verhängt. Die iranische Regierung scheint das Strickmuster nun auch begriffen zu haben. Im Vertrauen darauf, daß den anderen EU-Ländern die Handelsbeziehungen zu wichtig sind, greift Teheran das kleine Dänemark heraus, um es zu bestrafen. Schon die ursprünglich geplante Rücksendung der Botschafter wertete der iranische Außenminister Welajati als Beweis, „daß ein Abbruch der Beziehungen zu Iran für die Europäer politischer Selbstmord sei“.

Immerhin hat sich nach fast einem ganzen Tag hektischer Bemühungen die EU gestern doch noch zu einer relativ einmütigen Position durchgerungen. Die niederländische EU-Präsidentschaft forderte die Mitgliedsländer auf, aus Solidarität mit Deutschland und Dänemark ihre Botschafter vorerst ebenfalls nicht nach Teheran zurückzuschicken.

Ob der dort bereits eingetroffene italienische Botschafter bleiben wird, wurde zunächst nicht bekannt. Mehr an Gemeinsamkeit ist derzeit nicht möglich, auch wenn der deutsche Außenminister, dem es am Mittwoch die Sprache verschlagen hatte, gestern wieder starke Worte fand: „Wir lassen uns nicht erpressen.“ Aber, das sagte Kinkel auch: „Wirtschaftssanktionen will keiner.“ Alois Berger, Luxemburg