Begossene Pudel

■ Iran läßt die europäischen Politiker im Regen stehen

Die europäische Außenpolitik ist auf den Hund gekommen. Das führt dieser Tage die Teheraner Führung vor: Wie wortreich war doch das europäische Lamento über die Völkerrechtsverletzung, die das Mykonos-Urteil offenbarte – aber Hunde, die bellen, beißen bekanntlich nicht. Und wie uneinsichtig zeigte sich der Iran angesichts der öffentlichen Proteste in Europa – denn Hunde, die zum Freßnapf streben, springen über jeden Stock. Auch der deutsche Köter ist gesprungen – und hat statt des erhofften Fressens einen schmerzhaften Tritt bekommen. Nun hockt der begossene Pudel in seinem Auswärtigen Amt und versteht die islamische Welt nicht mehr. Ja, Undank ist der Mullahs Lohn, und die europäische Außenpolitik ist soviel wert, wie sie jeden einzelnen nährt.

Die iranische Führung hat ihrerseits sehr viel schneller verstanden, wie die vielbeschworene gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäer funktioniert:

Als gemeinsame schon mal gar nicht, weil sie dann mehr sein müßte als die Summe der sich teilweise widerstreitenden Einzelinteressen.

Als geschlossene auch nicht, weil sie dann Prinzipien entwickeln müßte, die ihr Handeln anleiten.

Als souveräne sowieso nicht, weil sie dann, statt überhastet die Botschafter loszuscheuchen, mit ihren Reaktionen mindestens bis nach den Wahlen im Iran gewartet hätte.

Und als effektive erst recht nicht, weil sie dann den amerikanischen Bestrebungen entsprochen hätte, eine einheitliche Linie gegenüber dem Iran zu formulieren. Die hätte nicht zwangsläufig die Härte der bisherigen US-Position haben müssen, deren Effizienz ja auch in Washington bezweifelt wird. Sie hätte ihre Wirksamkeit vielmehr aus der größeren Zahl der Protagonisten gezogen.

Weil er all diese Schwächen der europäischen Außenpolitik erkannt hat, kann Irans Außenminister Welajati nun auch verkünden, daß er künftig mit der EU „keinerlei Verhandlungen mehr über Menschenrechte, Terrorismus oder konventionelle, atomare und chemische Waffen führen“ werde. Ein „kritischer Dialog“ bar jeglicher Kritik. In Teheran werden bereits Wetten abgeschlossen, wann der erste europäische Hund auch über diesen Stock springt. Dieter Rulff

Tagesthema Seite 3