Zustände wie in Bayern – das wäre schön

Schutzwürdige Häuser in Hamburg sind würdig - nicht geschützt. Ein Streit am Beispiel Bergedorf  ■ Von Achim Fischer

Ausgerechnet Bayern könnte der Hamburger Politik als Vorbild dienen, zumindest für den Denkmalschutz. Das meinen die Lokalhistoriker des Geschichtskontors in Bergedorf. In ihrer Ausstellung „Denkmalschutz und Abriß“dokumentieren sie den Denkmalschutz in Hamburg am Beispiel Bergedorf. Und fordern bayerische Zustände. Gleiches Thema, andere Schlüsse dagegen in einer Ausstellung im Bezirks-Rathaus, aufgestellt vom Denkmalschutzamt. Zwischen den Ausstellungs-Orten liegen ein paar hundert Meter. Zwischen den Aussagen liegen Welten.

Bergedorf sei „überaus reich an bemerkenswerten historischen Bauten“, sprach Kultursenatorin und oberste Denkmalschützerin Christina Weiss zur Eröffnung im Rathaus. Zu bewundern in der amtlichen Ausstellung sind das Schloß, die Pfarrkirche St. Petri und Pauli, das Villenviertel.

Die Stadt wäre noch überaus reicher an bemerkenswerten historischen Bauten, wenn die Kultursenatorin und ihre Vorgänger mehr Wert auf Denkmalschutz gelegt hätten, meint dagegen Geerd Dahms vom Geschichtskontor. „Wir haben mal alle Gebäude markiert, die in der Bergedorfer Altstadt seit den 50er Jahren abgerissen wurden.“An der Wand hängt ein große Stadtteilkarte. 75 Prozent der Gebäude sind rot markiert.

Bergedorf im Original-Maßstab: Ein Schloß hier, ein paar nette Fleckchen da, zwischen Nachkriegsbauten und Hauptverkehrsstraßen. Mehr ist von 800 Jahren Stadtgeschichte nicht geblieben. Am Krieg hat's nicht gelegen. Bis in die 50er Jahre war die Altstadt weitgehend erhalten. Erst dann vollendeten die Behörden Abrißpläne aus den Zwanzigern und machten der Altstadt den Garaus – für eine Bundesstraße.

Erst in den 70er Jahren, gesteht Senatorin Weiss, hätten in Deutschland „Fachleute und weite Kreise der Bevölkerung erkannt, daß die Kulturdenkmäler Wohnlichkeit und Lebensqualität in den Städten steigern“. Allzu wohnlich sollte es nicht werden, der Abriß ging weiter. Wieder das Beispiel Bergedorf, nur die bekanntesten Fälle:

–1984 Polizei-Räumung und Abriß der Specken-Häuser (300 Jahre alte Handwerker-Häuser)

–1985 Abriß Sachsentor 21 (360 Jahre altes Haus, Bergedorfs erste Apotheke)

–1991 Abriß Kaffee Möller (97 Jahre altes Jugendstil-Café in 300 Jahre altem Haus)

–1991 Zerstörung des Alten Bahnhofes, Deutschlands zweitältestes Bahnhofsgebäude, durch unsachgemäße „Sanierung“: Das ursprüngliche Fachwerkgebäude wurde mit Glasbetonsteinen und Kunststoffschindeln nachgebaut.

Und es geht weiter. Ein bis zwei schutzwürdige Häuser, so die Erfahrung der Lokalhistoriker, werden pro Jahr allein in Bergedorf abgerissen. Immer mit Genehmigung der Denkmalschützer. Die nächsten vier Häuser stünden bereits auf der Liste. Die Denkmalschützer verweisen auf „unrentierliche Kosten“.

„Uns ist verwaltungsgerichtlich auferlegt worden, einen Ausgleich zu schaffen zwischen öffentlichem Interesse und berechtigten privaten Interessen des Eigentümers“, sagt Volker Konerding, Leiter der Bau- und Kunstdenkmalpflege im Hamburger Denkmalschutzamt. Die berechtigten privaten Interessen bedeuten: keine zusätzlichen, sprich: unrentierlichen, Kosten durch die Denkmalpflege. Konerding: „Das kann man nur auffangen, wenn wir die unrentierlichen Kosten durch Zuschüsse abdecken können.“Dafür fehle Geld.

Die hanseatischen Denkmalschützer verfügen dieses Jahr über 1,8 Millionen Mark für Zuschüsse an private Eigentümer. In Hessen ist es das Acht-, in Bayern das Vierzigfache. Konerding findet die 1,8 Millionen „nicht so wenig“. Schließlich steuerten in Hamburg auch andere Behörden etwas zum Denkmalschutz bei: die Schulbehörde etwa, wenn es um Schulen geht.

Doch es liegt nicht allein am Geld. Größtes Hindernis: das Hamburger Denkmalschutzgesetz. „Das Hamburger Denkmalschutzgesetz ist das schlechteste in ganz Deutschland“, sagt Geerd Dahms vom Geschichtskontor. Die Stadt kann gegen den Willen eines Eigentümers praktisch kein Gebäude unter Schutz stellen (s. nebenstehenden Text). Nicht nur das Geschichtskontor, auch Hamburger Politiker von GAL bis CDU fordern deshalb ein strengeres Gesetz, ähnlich wie in Berlin, Hessen oder Bayern.

„Denkmalschutz und Abriß in Bergedorf“, bis 1.7., Reetwerder 17, Mo,Di,Fr 10-16, Mi 10-20 Uhr

„Bergedorf-Lohbrügge“, bis 15.5., Bergedorfer Rathaus, Wentdorfer Str. 38, Mo-Do 8-16, Fr 8-15 Uhr