„Wenig Schuldgefühle“

■ Pro-Familia Studie: Jede Dritte Frau verheimlicht die Abtreibung

Probleme mit einer Abtreibung haben Frauen vor allem wegen der „allgemeinen Meinungsmache“, sagt die Hamburger Pro Familia-Mitarbeiterin Elfie Mayer. Andere negative „Risikofaktoren“seien verdrängte Trauer, moralischer oder religiöser Druck oder eine Konfliktsituation – der nicht zugegebene Kinderwunsch etwa. Insgesamt sei der Umgang von betroffenen Frauen mit einer Abtreibung aber viel weniger kompliziert, als oft angenommen.

Dies erhärtet eine kleine Studie der Hamburger Pro Familia-Niederlassung, wo, wie in Bremen, Schwangerschaftsabbrüche ambulant durchgeführt werden. Aus dem Kreis von 120 zufällig ausgewählten Klientinnen erklärten sich 35 Frauen (1995) für eine intensive Befragung über die Folgen ihres Abbruchs durch die Familienplanungszentrale bereit. Das Ergebnis der Untersuchung wurde diese Woche in Bremen vorgestellt. Anders als im bayerischen Regensburg, wo der Vortrag 200 Frauen lockte, kamen in Bremen jedoch nur wenige Zuhörerinnen. „Vielleicht, weil eine Abtreibung Frauen vor dem Abbruch viel mehr beschäftigt, als danach“, vermutet die Hamburger Forscherin. Dies würde sich auch mit den Beobachtungen der Bremer Pro Familia-Mitarbeiterinnen decken – wie auch viele andere Ergebnisse der kleinen Untersuchung.

Das frappierendste Resultat dabei: Rund ein Drittel der Frauen, deren Abbruch teils nur Monate, teils bis zu zehn Jahren zurückliegt, kam allein zum Eingriff. Mehr noch: Bekannte, Verwandte oder FreundInnen wußten davon nichts. Ob diese Verschweigerinnen-Quote aber verallgemeinert werden darf, ist zu bezweifeln. „Möglicherweise haben unsere freiwilligen Gespächspartnerinnen das Interview als Gelegenheit zum Gespräch ersehnt und waren dehalb dazu bereit“, räumte Elfie Mayer ein. Ihrem überraschenden Untersuchungsergebnis tut das keinen Abbruch: „Bei den wenigsten Frauen löste die Abtreibung seelische Komplikationen aus.“Selbst kurzfristige seelische Einbrüche seien kein Indiz für langfristige Probleme.

Stattdessen äußerten sich die meisten befragten Frauen positiv: Viele von ihnen brachte die ungewollte Schwangerschaft in eine Grenzsituation, die sie für sich und ihre Lebensplanung zur Klärung nutzten. „Fast alle gaben an, sich mit der Entscheidung keineswegs überfordert gefühlt zu haben.“Stattdessen stießen die Forscherinnen auf ein anderes Phänomen: „Manche Frauen hatten an ihrer eigenen Wahrnehmung Zweifel, weil sie, anders als erwartet, nach dem Abbruch überhaupt keine Schuldgefühle an sich entdecken konnten.“

Schuldgefühle holten selbst die Frauen selten ein, die sie zuvor befürchtet hatten. Geholfen habe den meisten Frauen dabei, wenn ihre Entscheidung in ihrer Umgebung akzeptiert wurde und sie beim Abbruch wohlwollend behandelt wurden. ede

Literatur: „Traurig und befreit zugleich“. Ab Montag, 5. Mai, 20 Uhr, bietet Pro Familia eine offene Gruppe für Frauen an, die sich über Erfahrung und Gefühle beim Abbruch austauschen wollen